„Konzept: Biedermeier“

Denn die Epoche steht für „private geistreiche Unterhaltung“, sagt Jürgen von der Lippe und wechselt zu Sat.1. Dort wird schließlich im Gegensatz zur ARD „das Zeug auf dem kleinen Dienstweg erledigt“

taz: Am Wochenende hatten Sie Geburtstag, am Wochenende war auch Ihr letzter Arbeitstag beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Was gibt mehr Anlass zum Feiern?

Jürgen von der Lippe: Was den Geburtstag angeht: Ich lege nicht so viel Wert auf termindiktierte Feiern; gegen so was bin ich fast ein bisschen allergisch. Bei „Geld oder Liebe“ sind die Fakten einfach so: Ich höre ungern auf, denn ich hänge sehr an der Sendung. Aber die Leute wollen sie nicht mehr sehen. Leider habe ich das zu spät gemerkt. Mit früheren Sendungen wie „Donnerlippchen“ habe ich immer rechtzeitig aufgehört. Aber lieber mache ich jetzt Schluss, bevor der Sender die Show absetzt.

Kollegen wie Cherno Jobatey oder Ulla Kock am Brink kommen mit ihren Sendungen auch nur auf plus/ minus vier Millionen Zuschauer. Für ARD-Verhältnisse sind Ihre Quoten doch völlig in Ordnung.

Das kann doch kein Trost sein; nicht, wenn man von über zehn Millionen kommt.

Sie gehen nun zu Sat.1 – prompt haben Sie an der Institution ARD in letzter Zeit kein gutes Haar gelassen.

Das Ärgerliche an dem, was so zu lesen stand, ist: Die Presse, egal welcher Provenienz, möchte ja immer negative Äußerungen. Wenn ich keine gemacht habe, wurden eben alte genommen, verdreht und zugespitzt. Das stößt mir mittlerweile sehr sauer auf. Aber es ist schon so, dass mir einiges in der ARD nicht gefällt: endlose Verwaltungsvorgänge, viel zu viele Leute, die mit darüber befinden, ob man etwas realisiert oder nicht.

Aber die ARD war doch schon immer so.

Ja, aber das hat mich nicht berührt, weil mir Gott sei Dank keiner in „Geld oder Liebe“ rein geredet hat. Aber bei anderen Projekten gab es mittlerweile einiges, über das ich mich geärgert habe. Wir reden hier von 13 großen Anstalten, die alle ihre Interessen haben und einander auch nicht unbedingt grün sind. Es ist nicht so, dass der Bayerische Rundfunk sich darüber freut, wenn dem WDR etwas gelingt. Und schon gar nicht, wenn ich damit zu tun habe. Auf jeden Fall will ich jetzt etwas Neues machen mit einem anderen Partner, bei dem ich mich dann über irgendwas anderes ärgern werde. Geplant sind zwei neue Projekte.

Beide für Sat.1?

Vermutlich. Produziert werden die Sendungen unter anderem von Kirch Media und [ex-Endemol-Deutschland-Chef, d.Red.] Axel Beyer, der meiner Meinung nach der fähigste Unterhaltungsmann ist, der in Deutschland rumläuft. Das Zeug wird auf dem kurzen Dienstweg erledigt. Und man kann sagen, wie man’s haben will.

Wie wollen Sie’s denn haben?

Ich hatte seit langer Zeit mal wieder das Bedürfnis, auf einem Filmset zu stehen. Eines von beiden Projekten soll auf jeden Fall eine Sitcom werden. So was wie „Ally Mc Beal“ – auch wenn ich weiß, dass man das in Deutschland nicht erreichen kann. Das andere wird eine kleine Sonntagsshow und soll im September starten. Ich umschreibe das Konzept gerne mit „Biedermeier“, was ja die Zeit der privaten geistreichen Unterhaltung war.

Haben Sie „Big Diet“, das neue Projekt von Frau Schreinemakers, schon gesehen?

Hm.

Mit Genuss?

Ich bin da ja befangen. Man sieht das nicht mit den Augen eines normalen Zuschauers, wenn das die Exfrau ist, zu der man nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis hat. Was mich erschreckt, ist die unglaubliche Brutalität und Häme, mit der die Presse da zu Werke geht. Unabhängig davon, ob „Big Diet“ jetzt hoch spannend ist. Ich kannte das Projekt schon, bevor sie überhaupt als Moderatorin im Gespräch war. Ich habe mich damals schon gefragt: Was soll daran spannend sein? Als jemand, der sehr viel Erfahrung mit Versuchen im Abnehmen hat, weiß ich, dass die Erfolge dabei alles andere als spektakulär sind. Was will ich da sehen? Das kann man nicht wie ein Rennen machen. Meine Zweifel waren wohl berechtigt. Aber Margarethe ist genau so gut und professionell, wie sie es immer war. Sie hat im Moment mit etwas völlig Irrationalem zu kämpfen, was ich mir wirklich nicht erklären kann. Was ist der Grund, dass man so auf sie einprügelt? Das macht mir schon Angst – denn mir kann im Herbst das Gleiche passieren.

Warum machen Sie nicht eine Show, wo man sich Pfunde anfressen kann?

Das ist natürlich eine ganz faszinierende Idee. Sie würden dafür aber keinen Partner finden, weil die Kategorien von political correctness ja auch fürs Gesundheitsgebaren gelten.

Sie gehen zu einem Privatsender. Da gibt es doch gar keine political correctness.

Natürlich gibt es die da auch. Sie dürfen nicht vergessen: Da gibt es andere Filter, die durch Werbepartner vorgegeben werden.

Mit 53 haben Sie doch schon die Zielgruppe verlassen, die für die Werbung angeblich relevant ist. Wieso dürfen Sie eigentlich noch zu den Privaten?

Das ist bestimmt der Beginn eines Umdenkens. (grinst) Außerdem: Rudi Carrell holt ja auch ganz hervorragende Quoten bei RTL. Wenn’s schief geht, werde ich mich bestimmt nicht aufhängen. Mein eigentlicher Beruf ist es ja, mit meinem Bühnenprogramm von Stadt zu Stadt zu ziehen. INTERVIEW: ALEXANDER KÜHN