Modern töten mit viel Drumherum

Männer können im Krieg keine Helden mehr sein. Schuld sind die Atomwaffen – und vor allem die Frauen. Sie entwerten die männliche Selbstbestätigungsdomäne Armee. Das ist Martin van Creveld ein Graus und beschert den Lesern ebenso provozierende wie falsche Thesen

„Bald werden Armeen nur noch friedenserhaltende Missionen erfüllen“

Er wolle Clausewitz auf den Nachttischen der Generäle ablösen, wird über ihn gesagt. Weil er wegen einer Hasenscharte vom israelischen Militär abgewiesen wurde. Und tatsächlich hat sich der Historiker Martin van Creveld, Professor in Jerusalem, mit seinen dreizehn Büchern in den Rang eines weltweit führenden Militärtheoretikers geschrieben. Auf gewohnt unkonventionelle und provozierende Weise nimmt er sich in seinem vierzehnten Werk eines Modethemas an: Frauen und Krieg.

Man erfährt darin aber nichts über Frauen und kaum etwas über den Krieg. Im Kern geht es van Creveld um Männer. Und Krieg ist vor allem: das geeignete Feld, um Männlichkeit zu bestätigen. Der Autor verteidigt dies mit einer Armada von windigen Argumenten. Die Ilias, die Amazonen, indische Kriegsgöttinnen und GI Jane – alle beweisen eines: Frauen können nicht kämpfen. (Sie können übrigens auch nicht boxen oder Segelboote steuern. Denn auch das kann er sich ohne schwitzende Männerkörper nicht vorstellen.) Wenn doch, ist das eine Fantasie von Männern oder eine feministische Lüge. Weil aber selbst van Creveld zugeben muss, dass einige Frauen gekämpft haben, schränkt er ein: Jeanne d’Arc hat „keinen einzigen Menschen getötet“. Kriegsgöttin Athene tötete, „nie selbst jemanden, sondern überließ diese Aufgabe lieber anderen“. Die russische Transvestitin Nadescha Durowa stürzte „sich immer ins Kampfgetümmel, schaffte [. . .] es irgendwie, nie jemanden zu töten“.

Aber die argumentative Schleife dreht sich noch weiter: Was ist, wenn sie doch töten? Van Creveld weiß es: „In Anbetracht ihrer physischen Grenzen werden die meisten Frauen indirekt töten.“ Das erinnert an eine Geschichte aus der Luftwaffe der USA. Die deklarierte Versorgungsflüge nach Sarajevo als „Kampfeinsätze“, weil sie der Gefahr serbischen Feindbeschusses ausgesetzt waren. Als zum ersten Mal eine Frau die Route flog, wurden sie flugs zu „Hilfsmissionen“ umdefiniert. Krieg ist Kampf. Kampf ist Töten. Töten ist direkt Töten. Direkt töten können nur Männer. Dass ausgerechnet van Creveld Krieg derart reduziert, ist verwunderlich.

Sagt er doch selbst, dass moderne Streitkräfte komplexe Unternehmen sind „mit viel Drumherum. Im Zweiten Weltkrieg führte das dazu, dass nur für rund 25 Prozent der Soldaten in der US-Armee die Hauptaufgabe darin bestand, mit der Waffe in der Hand zu kämpfen.“

Hier spricht ein altmodischer Patriarch. Dass sich immer mehr Streitkräfte für Frauen öffnen, ist für ihn Symbol und Ursache ihres Niedergangs. Dafür macht er außer den Frauen die Verbreitung der Atomwaffen verantwortlich. Die Abschreckung sei an Stelle des Krieges getreten. Für den männlichen Stolz heißt das: Die Zeit der Heldentaten ist vorbei, weil es gegen Atomwaffen keine Verteidigung geben kann. Die großen Staaten führten keine Kriege mehr gegeneinander. Deshalb seien die staatlichen Armeen auch fast überflüssig geworden oder wurden in Polizeitruppen umgewandelt. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist abzusehen, dass die meisten Armeen nur noch friedenserhaltende Missionen erfüllen werden.“ Das nennt Creveld Feminisierung und einen Niedergang des staatlichen Militärs.

Richtige Kriege würden vor allem von Söldnerheeren innerhalb oder zwischen kleinen Staaten der Dritten Welt geführt. Dort, „wo Kriege noch Kriege sind und Männer noch Männer sein dürfen“. In den Low-Intensity-Kriegen im Kosovo, in Kolumbien, Tibet, Afghanistan, Tschetschenien und Zentralafrika würden außer einer Hand voll „Mannweiber“, „mit denen manchmal geworben wird, um Ausländer zu beeindrucken“, keine Frauen eingesetzt. Van Crevelds Argumentation ist geradezu ein Paradebeispiel für eine sich immer wieder neu bestätigende Männlichkeit. Dafür braucht er die Abwertung von Frauen. Aber auch einen amüsanten rhetorischen Aufwand.

Damit, dass Frauen in männliche Bereiche eindringen, statt Kinder zu gebären und aufzuziehen, beweisen sie in seinen Augen nur, wie sehr sie die Männer bewundern. Sie haben aber nichts davon, weil die männliche Domäne durch sie sofort an Ansehen verliert. Sein Rat an die Frauen: Bleibt, wo ihr hingehört, dann können wir euch wenigstens ritterlich würdigen. Und wenn sie die männliche Überlegenheit doch ein wenig wurmen sollte, dann legt er ihnen ein probates Mittel der Unterlegenen ans Herz: den Spott.

Den kann er haben. Van Crevelds Auffassung, dass Frauen im Militär nichts zu suchen haben, deckt sich aber in geradezu verblüffender Weise mit der einiger pazifistischer Feministinnen. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie davon ausgehen, das Weibliche sei dem Männlichen überlegen, während van Creveld das genau andersrum sieht. Das Buch bestätigt aber auch trefflich die entgegengesetzte feministische Position, die davon ausgeht, dass Frauen die Männlichkeit des Militärs stören und daher demokratisierend wirken. Van Creveld findet, dass „die Beteiligung von Frauen am Krieg einen der Hauptgründe beseitigen [würde], aus denen heraus Männer Krieg führen: die Bestätigung ihres eigenen Ruhms“. Na dann, nichts wie ins Militär.

Aber ganz so einfach, wie der Autor es sich macht, ist es nicht. Es lässt sich nämlich gar nicht sagen, was Frauen im Militär tatsächlich bewirken. Dafür sind sie mit 15 Prozent selbst in den USA viel zu wenige. Wenn sich mit den Frauen die Friedenseinsätze verstärken sollten, dann kann man das als gesellschaftliche Aufwertung des Militärischen sehen oder, wie van Creveld, als Niedergang des männlichen Militärs. Vielleicht ist es ja auch beides. Sicher ist nur, dass die Soldatin, das „paradoxe Geschöpf“ (Creveld), einen kaum zu bewältigenden Angriff auf den Chauvinisten alter Schule darstellt. Allerdings dürften sich die selbst im Militär nur noch selten finden. KARIN GABBERT

Martin van Creveld: „Frauen und Krieg“. 325 Seiten, Gerling Akademie Verlag, München 2001, 58 DM