Ärger auf höchster Ebene

Aus für Peter Boenisch: Wegen einer „nicht eingeholten Zustimmung“ für einen Text, den der „Bild“-Autor und Ex-Springer-Aufsichtsrat in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichte, wurde ihm jetzt der Autoren- und Beratervertrag gekündigt

von STEFFEN GRIMBERG

Im Frühling war die Welt noch Ordnung: Peter Boenisch, Bravo-Gründer, legendärer Bild-Chef, nicht ganz so legendärer Welt-Chef und mehrfacher Wahlkämpfer für Helmut Kohl, saß im Aufsichtsrat der Axel Springer AG und mischte sich per Bild-Kommentar in die 68er-Debatte ein. Mehr noch: Wegen seines Engagements für den „Petersburger Dialog“, jenes höchstrangigen deutsch-russischen Debattierzirkels, präsentierte ihn sein altes Blatt stolz am 11. April auf der Titelseite als Gewinner des Tages. Als Verlierer gleich daneben: Naomi Campbell. Das „Supermodell“ war aus einem Londoner Café geworfen worden, „weil sie den Wirt anpöbelte.“

Jetzt hat es Peter Boenisch erwischt: „Der Axel Springer Verlag kündigt Autoren- und Beratungsvertrag mit Peter Boenisch“, heißt es lapidar aus der Hamburger Zentrale, der Vorwand ist so konstruiert wie durchsichtig: Boenisch, dessen Vertrag ausdrücklich exklusive Schreibarbeit für die Springer-Medien vorsah, hatte sich am Dienstag voriger Woche deutlich zum Streit zwischen Lufthansa und Süddeutscher Zeitung um die Bordexemplare geäußert („Die Lufthansa hatte einen Kranich. Zurzeit hat sie einen Vogel.“). Allerdings nicht, wie die Diktion vermuten lässt, in der Bild, sondern in der SZ selbst. Und ohne die laut Vertrag für solche Streifzüge außerhalb des Springer-Blätterwaldes erforderliche Zustimmung von ganz oben. Genau über diese „Zustimmungspflicht ist bei Vertragsabschluss lange verhandelt worden“, sagt Verlagssprecherin Edda Fels. „Dieser wesentliche Verstoß gegen seine Pflichten bereits zu Beginn seiner Beratertätigkeit zerstört das Vertrauen und ist Anlass für die Beendigung des Vertrages“, heißt es in der Springer-Meldung.

Anlass wohlgemerkt, nicht Ursache. Die liegt wohl auch nicht nur in der viel beschworenen Altersmilde des ehemaligen Bild-Scharfmachers, dem schon Heinrich Böll eine späte Konversion zum Liberalen prophezeite, auf dass er dann von Linken wie Rechten im Regen stehen gelassen würde. Natürlich konnte die differenzierte Reflexion von Boenisch in Sachen Joschka Fischer, das Eingeständnis der „beiderseits hasserfüllten Vergangenheit“, keine Begeisterung bei Redaktionen auslösen, die wenig später auf einem Foto mit demonstrierendem Jürgen Trittin Bolzenschneider statt Handschuhe gesehen haben wollten. Schon im April hatte Boenisch sein Aufsichtsratsmandat niedergelegt – weil es ihn bei „öffentlichen Äußerungen“ behinderte, wie er damals erklären ließ, aber wohl auch auf Druck der neuen Springer-Hierarchen. Denn die öffentlichen Äußerungen waren das eine, die interne Einmischung des Exchefs das andere. Von Indiskretion und Illoyalität ist im Hause Springer die Rede, von Undankbarkeit trotz Sonderstatus und exklusiver Bezüge. – Es ging wohl schlicht darum, sich endgültig von Boenisch zu befreien.

Der Geschasste selbst gibt sich kurzsilbig: „Ich halte die Kündigung für ungerecht und werde mich auch mit allen Mitteln rechtlich dagegen zur Wehr setzen“, sagte Boenisch der taz.

Praktischerweise mussten sich die neuen Köpfen an der Spitze des Medienkonzerns noch nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen: Quasi als letzte Amtshandlung vollzieht der zum Jahresende scheidende alte Vorstandschef Gus Fischer den Bruch mit Boenisch. Einen neuen Berater wird sich Fischer kaum leisten können: Wegen schlechter Marktkonjunktur und mieser Bilanzen (siehe taz von gestern) herrscht bei Springer gerade Einstellungsstopp.