Grabesgruft, illuminiert

■ Die große HfK-Ausstellung letzten Sommer im Dom findet nun eine kleine Fortsetzung in der Ostkrypta mit einer Installation

Eine Installation ist eine Installation ist eine Installation. Aber ihr Bedeutungsfeld verändert sich gewaltig, wenn sie in einen neuen Raum verpflanzt wird – ein Phänomen, das die Berlinerin Gabriele Heidecker brennend interessiert – und mit Hilfe von Flammen erforscht. Ihre Installation „The never ending dinner“, die in Kooperation mit der Bremer Hochschule für Künste (HfK) einen Monat lang die Ostkrypta des Doms mittels Spiegeln entgrenzt, ist die vierte Variation einer vor etwa 10 Jahren entwickelten Idee. Damals, als zwei Jahre nach dem Mauerfall (fast) alle (deutsche) Welt in Euphorie schwelgte und die DDR bashte, hielt Heidecker eine Erinnerung an die NS-Zeit für angebracht, zumal die Berliner Kaserne, in der sie ihr Atelier hat, schon 1933 als heimliches Probe-KZ diente. Dort errichtete sie einen 50m langen Parcour von Kerzen, der durch Spiegel an seinem Anfang und Ende in die Unendlichkeit ausgedehnt wurde. In Bremen schweben nun die Kerzen auf einem filigranen Glas-Laufsteg, und zwischen ihnen ist bearbeitetes Naturhaar platziert, wie es Perrückenmacher und Theaterkostümbildner zum Zwecke der Identitätsverwandlung verwenden.

Ausgesprochen klein ist also das Requisitenarsenal der Künstlerin; aber durch die konträre Konnotation jedes einzelnen Elements tendiert die Aussage gegen unendlich. Das Abschneiden des Haares erlöste einst Nonnen und Mönche vom Fluch des Irdischen, aber der biblische Samson verlor durch die Rasur seine Unbesiegbarkeit. Indiander verleiben sich mit dem Skalp ihrer Gegner deren Stärke ein und Französinnen, die im 2. Weltkrieg einen Deutschen liebten, wurden durch eine Glatze stigmatisiert. Kerzen tragen Trauer auf Gräbern und leuchten in der Adventszeit die Erlösung herbei. Und Spiegel verhunzen den Menschen zum Narziss, doch in Versaille, Nymphenburg oder Schloss Herrenchiemsee sprengen sie die Endlichkeit von Sälen und dazugehörigen Festen. So kommt es, dass Heideckers beeindruckende Arbeit ihren Sinn findet an so unterschiedlichen Orten wie KZ, Kirche und sogar in einem Künstlerhaus in Jerusalem – zum Gedenken an die NS-Opfer.

Im Bremer Dom bildet die Lichterkette eine Achse zwischen Grab und Altar, Gedächtnis und Verehrung, Tod und Demut. Und weil die gotischen Säulen den Raum in gleichgroße Quadrate unterteilen, passen sich die Abbilder in den Spiegeln perfekt in die umgebende Wirklichkeit ein. „Die Verwechselbarkeit von Virtualität und Realität ist ja heute ein wichtiges Thema“, meint Heidecker, und angesichts ihrer essenziellen Themen – Tod und Überleben, Endlichkeit und Ewigkeit – dürfte sie sich gerne den Künstlernamen Heidegger zulegen. Eine Fortsetzung der Idee von Kunst im Dom ist geplant. bk

Bis 10. 7., Vernissage 10. 6., 12h