Ein überdachter Regenwald

■ Das Regenwald-Haus in Hannover ist allemal einen Besuch wert / Auf Video-Tafeln und mit dem Audio-Guide wird das erklärt, was man im richtigen Regenwald nicht versteht oder nicht sieht

„Hier ist Ihre Boarding Card“, Sie befinden sich in den Rainforest Airlines und fliegen vom Regenwaldhaus Hannover zum Südamerikanischen Regenwald. Ohne einen Schuss Kitsch geht es nicht. Das Flugticket ermächtigt gerade zum Betreten des wackeligen Aufzuges, und warum man nur „mit dem Abwurf einer Forschungsgondel“ im Urwald landen kann, das erschließt sich nicht unbedingt.

Aber dann wird es spannend. Wer ein (letztes) Stück des wirklichen Regenwaldes sehen will, kann ganz ohne Forschungsgondel hinfliegen und steht dann unter den Baumriesen und staunt – und müsste eigentlich ein Buch lesen, um zu verstehen, was zu sehen und was nicht zu sehen ist. Aber wer liest schon im Regenwald ein Buch über den Regenwald.

Das ist der Ansatzpunkt des „Regenwald-Hauses“, eröffnet zur Expo im Frühjahr 2000. Ein kleines Stück der Urlandschaft ist dort in den streng konservativ gehaltenen „Herrenhäuser Gärten“ konstruiert, eine große Folienkissen-Haut der Bremer Firma Foilec überspannt die Naturlandschaft und hält das Binnenklima feucht und warm. Die Kuppel ist 16,5 Meter hoch und das ganze Bauwerk kleiner als die Sauna „Oase“ in Bremen. Aber unter der Kuppel in dem tropischen Klima gedeihen stolze 1.200 verschiedene Pflanzenarten.

Sprechende Pflanzen

Man muss schon sehr genau hinschauen, um auch nur einen Teil davon zu sehen. Beim Hinschauen helfen kleine Video-Tafeln, und wenn man sich mit seinem „Audio-Guide“-Walkman einer dieser Video-Tafeln nähert, dann fängt er an zu sprechen – und erklärt all das, was man nicht sehen würde, wenn man im richtigen Regenwald stünde. Wie eine Bambus-Pflanze Ameisen durch Duftstoffe anlockt und sich mit Hilfe der Ameisen dann von Schädlingen frei hält, das erklärt die Pflanze selbst. Die Schlingpflanzen erzählen, wie sie ihre Wurzeln von der Baumkrone herunterlassen und am Ende selbst so viel Stabilität herstellen, dass es ihnen egal sein kann, wenn der Baum in ihrer Mitte schließlich erdrückt abstirbt ... Da sind die Ameisen, die ihre Lasten durch Plexiglas-Röhren schleppen müssen, transparent für die Betrachter, den Vorgang erklärt, über das Tonband, die faule Königin höchst persönlich. Pfeilgiftfrösche, Regenboas, Blattschneider-Ameisen oder die Ortungssysteme der Fledermäuse – unzählige Details kann man in diesem kleinen Stück Regenwald entdecken und studieren, weil sie gezeigt und erklärt werden. Erst beim zweiten, dritten oder vierten Besuch bekommt man das Gefühl, das meiste gesehen zu haben, was zu entdecken wäre.

Strahlende Ratten

Dass es sich beim Regenwald in Hannover um eine Konstruktion handelt, hat auch einen anderen Vorteil: Spiralförmig geht man durch die verschiedenen Ebenen des Pflanzen-Doms nach oben – bis ganz nach oben, wo die Sonne knallt, um dann aus dieser Vogel-Perspektive der äußersten Baumwipfel nach unten auf den Urwald zu blicken.

Bevor man in den Bereich des Bergregenwaldes kommt, wird man in einer rabenschwarzen Schleuse des technischen Staunens sensibilisiert für das, was danach mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist. Da zeigt ein Bildschirm an, wie eine Ratte in der Nacht durch ihre Wärmestrahlung für die Schlange sichtbar ist, die eben über ganz andere Sinnesorgane verfügt als der Mensch. Im Selbst-Test kann man sich als „wärmestrahlendes Wesen“ auch selbst auf einem Video-Schirm sehen, so wie die Schlange einen sehen würde. Mit einem schlichten Föhn kann jeder das Experiment machen: Körperteile, die warm angestrahlt werden, leuchten rot auf. Ein akustischer Sensor aktiviert, ins Dunkle gehalten, die dort für das Auge versteckten Lebewesen, sie leuchten – getroffen – „rot“ auf und das akustische Signal wird hörbar, das im richtigen Urwald nur für die Tiere hörbar ist.

Äffchen gibt es nur aus Stoff und im Geschenke-Shop, das heißt: Hinschauen und Zuhören sollte man schon können. Mit größeren Kindern kann man die Entdeckungsreise durch Flora und Fauna auch bei Regenwetter antreten – wenn man einmal die Eintrittskarte ergattert hat (16 Mark bzw 8,50 Mark für Kinder), gelangt man ins Trockene des überdachten Regenwaldes.

K.W. www.regenwaldhaus.de