„Ich werde gesund“

■ Mit Qigong den Krebs besiegen? Eine Geschichte

arbara hat Brustkrebs. 1993 wird ihr die Brust abgenommen. Ihre Prognose ist gut: Lymph-knoten seien nicht befallen, der Tumor sei hormonabhängig und damit weniger aggressiv als andere Tumore. Barbara unterzieht sich einer Chemotherapie, „einer relativ leichten, die Haare sind mir nicht ausgefallen.“ Nur „als Prophylaxe“, hätten die Ärzte gesagt.

Vier Jahre später, erzählt die 54-Jährige, „war ich irritiert, als ganz in der Nähe der Narbe ein Knoten entdeckt wurde.“ 1998, ein Jahr später, der nächste Knoten, erneut ganz in der Nähe. Barbara lässt sich bestrahlen. Im Winter 1999 werden Knochenmetastasen entdeckt. Sie nimmt Anti-Östrogene, die den Zellen das Krebs-beschleunigende Östrogen entziehen, und bekommt Knocheninfusionen. Dennoch stellen die Ärzte im Juni 2000 eine Verschlechterung fest.

Wochen zuvor hat Barbara eine andere Ärztin besucht: Qiduan Li, eine chinesische Ärztin, die sowohl in westlicher Schulmedizin als auch in traditioneller chinesischer Medizin (TCM) ausgebildet ist und in Berlin eine Praxis hat. „Bei unserem ersten Gespräch hat sie mir fast die Alleinverantwortung für meine Krankheit gegeben“, erinnert sich Barbara und weiß noch, wie empört sie darüber war. „Ein Jahr“, habe ihr Frau Li dann gesagt, „und Sie sind gesund.“ Wenn Barbara sich makrobiotisch ernähre. Und Guolin-Qigong mache. Jeden Tag. Mehrere Stunden.

Guolin-Qigong. Ganz frei ließe es sich mit „Windatmen“ übersetzen. Qigong, erklärt eine Fachzeitschrift, „sind Übungen mit Körper, Atmung und geistiger Vorstellung, die in China Bestandteil der Medizin wie auch der allgemeinen Lebenspflege waren und sind.“ Es gibt hunderte verschiedene Formen – Guolin-Qigong ist eine davon. Entwickelt in den 50er Jahren von der damals an Krebs erkrankten Künstlerin Guo Lin und in Deutschland durch die Ärztin Josephine Zöller bekannt gemacht. Guo Lin genas, Josephine Zöller starb an Krebs.

Barbara lebt. Anders als zuvor, und sie ist auf dem Weg der Genesung. Jeden Tag macht sie ihre Übungen: atmet während des Gehens zweimal schnell ein, einmal langsam aus, bewegt die Arme mit.

Durch die besondere Atmung, so erklärt Barbara den Effekt, soll mehr Sauerstoff zu den Zellen gelangen – für Krebszellen sei das eine „Giftdusche“. In chinesischen Krankenhäuser gilt Guolin-Qigong als Anti-Krebs-Methode – das Magazin „Dao“ referiert aus einer Studie des Pekinger Guolin-Forschungszentrums über eine Gruppe Krebskranker, die mit Guolin-Qigong begonnen hatten, dass „74 Prozent gesund wurden“.

Die Ärztin Qiduan Li hat Barbara die Qigong-Übungen in einem Seminar beigebracht. „Frau Li hat uns gesagt, was passieren kann“: ab etwa der dritten Woche käme es zu einem „Wärmeschub“, zu Schmerzen, alte Narben könnten sich melden, Fieber könne auftreten. Bei Barbaras werden die – ohnehin vorhandenen – Schmerzen schlimmer. „Ich wusste also ab der dritten Woche: es funktioniert.“

Barbara macht nicht nur Guolin-Qigong und ernährt sich makrobiotisch, sie lässt sich akupunktieren, sie macht eine Mistel-Therapie und nimmt weiterhin Anti-Östrogene.

„Mein Arsenal“ nennt sie all das. Ihr Arsenal wirkt. Als sie in diesem Februar zur Untersuchung geht, stellen die Ärzte einen massiven Rückgang der Knochenmetastasen fest. „Wie haben Sie das gemacht? Sie haben ja kaum noch Metastasen“, fragt der Radiologe. Barbara antwortet: „Das nächste Mal finden Sie überhaupt keine mehr.“

Die ehemalige Journalistin ist inzwischen Rentnerin. Sehr gelassen sei sie geworden. „Ich wundere mich darüber, wie ich die tägliche Mühle habe ertragen können“, sagt sie. Heute meidet sie Hektik. „Ich habe mich zurückgezogen, meine sozialen Kontakte sehr reduziert.“

Barbaras Genesung – ein Wunder? „Da ist Vorsicht geboten“, sagt Gisela Hildebrand, „es gibt Erfolge.“ Gisela Hildebrand ist Qigong-Lehrerin. „Es gibt keine Erfolgsgarantie“, erklärt sie, „wir wissen auch nicht, was alles zusammen wirkt.“ Doch soviel ließe sich sagen: „Qigong ist sehr unterstützend.“ Unter den Frauen, die zu ihr kommen – es sind vor allem Frauen –, sind viele Krebskranke. Gisela Hildebrand lehrt Fan Teng Gong – eine andere Art des Qigong, die ebenfalls die Heilung von Krebs unterstützen soll. Am kommenden Wochenende steht ein besonderes Seminar an: Die Chinesin Wang Li, die in Köln lebt, wird in Hildebrands Räumen Guolin Qigong unterrichten. Beide Chinesinnen – sowohl Barbaras Frau Li aus Berlin als auch Frau Li aus Köln – sind Schülerinnen von jener Guo Lin, die einst diese Qigong-Variante entwickelt hat. Das Seminar ist schon ausgebucht, im Herbst wird Wang Li, die bei Guo Lin einst als Patientin begonnen hatte und nun genesen ist, noch einmal nach Bremen kommen.

Methoden wie die ihre, sagt Gisela Hildebrand, „werden immer abgetan, denn sie sind wissenschaftlich nicht belegbar.“ Und nur Qigong zu empfehlen, sei einseitig. Ganz wesentlich sei auch die Ernährung – siehe Barbara. Überdies plädiert Gisela Hildebrand dafür, der eigenen Wahrnehmung zu vertrauen. „Macht mir das Spaß? Stimmt der Kontakt zur Lehrerin? Und vor allem: Spüre ich eine Wirkung?“ Das sind die Fragen, die jeder sich stellen solle. „Es gibt Übungen, die haben sich bewährt“, sagt die Qigong-Lehrerin, „und wenn nicht, geht man besser und sucht sich was anderes.“

Qigong gegen Brustkrebs – wo Barbara überzeugt und Gisela Hildebrand vorsichtig optimistisch ist, da sind Schulmediziner skeptisch. Gerd Büschel ist so einer, Arzt am Klinikum Nürnberg Nord und Mitglied der Arbeitsgruppe biologische Krebstherapie, einem Projekt der Deutschen Krebshilfe. Zu den Aufgaben der Arbeitsgruppe gehört die Befassung mit Psychoonkologie – den Zusammenhängen von Psyche und Krebsentstehung – und so genannten „unkonventionellen“ oder alternativen Verfahren. „Wir versuchen, allem, was an Erfolgsmeldungen im Raum steht, nachzugehen.“ Qigong zählt für den Arzt zu „psychologischen Verfahren“. Inzwischen halte man es für fraglich, dass sich durch psychologische Ansätze der Krebs beeinflussen lasse, referiert Büschel den Forschungsstand. Er berichtet aber auch von Studien, die nachwiesen, dass bei Brustkrebskranken mit psychologischer Betreuung und Entspannungstraining die Überlebensquote höher sei als bei Patientinnen ohne solche Betreuung. Doch selbst so genannte „Best-case-Analysen“ seien „sehr ernüchternd“. Tumore mit Metastasen könnten sich vollständig zurückbilden. „Aber in der Regel kommen sie wieder.“

Zu Geschichten wie Barbaras sagt er: „Die Leute lügen ja nicht.“ Aber ob es nun tatsächlich Qigong sei, das die Erfolge beschere, oder möglicherweise nicht doch die Chemo, die Bestrahlung oder die Hormontherapie, das könnten die Erkrankten kaum beurteilen, seien aber dennoch der festen Meinung, jene eine Methode habe den Erfolg gebracht. Gerade Hormontherapie sei äußerst wirkungsvoll – „da ist eine Besserung gar nicht so selten.“

Barbara sieht die Wirkung von Guolin Qigong im Sauerstoff. Dass ein niedriger Sauerstoffgehalt im Blut Tumorwachstum zu begünstigen scheint, bejaht Gerd Büschel. Dass sich aber der Sauerstoffgehalt im Blut mit Qigong um ein Vielfaches steigern ließe, sei „eine Laienvorstellung.“

Bei Barbara steht im Juli die nächste Untersuchung an. Zur selben Zeit hat sie Geburtstag. Eine große Party werde es geben, verspricht sie. „Damit kehre ich in die Gesellschaft zurück.“ „Was machen Sie denn, wenn das nicht klappt“, hat sie eine Ärztin vor ihrer letzten Untersuchung im Februar gefragt. „Wie kommen Sie denn darauf“, hat Barbara zurückgefragt, „ich werde noch in diesem Jahr gesund.“ Susanne Gieffers

Mehr Infos über Wang Lis nächstes Seminar hat Gisela Hildebrand unter Tel.: 34 10 50