So schnell geht Kuba nicht unter

Wer glaubte Anfang der Neunzigerjahre nicht, dass es Fidel Castro nur noch ein paar Wochen, im besten Fall ein paar Monate machen würde. Rund neunzig Prozent der Exportmärkte brachen einfach weg. Innerhalb von drei Jahren sank das Bruttoinlandsprodukt um fast 35 Prozent. Keine Regierung, dachten selbst eingeschworene Linke, kann so einem Schock standhalten. Doch Castro blieb standhaft.

Heute, zehn Jahr später, glaubt niemand mehr an ein schnelles Ende des tropischen Sozialismus. Zwar hat die Wirtschaft noch immer nicht den Stand von vor der Krise erreicht. Doch sie wächst. Anhaltend und stabil. Die Wachstumsraten lagen in den vergangenen Jahren zwischen 4,5 und sieben Prozent. Der US-Dollar, der einst auf dem Schwarzmarkt gegen fast zweihundert kubanische Pesos eingetauscht wurde, ist seit mehr als drei Jahren nur noch zwanzig Pesos wert.

Die Arbeitslosigkeit, die mit der Krise von null auf 8,5 Prozent hochgeschnellt war, ist inzwischen wieder auf 5,5 Prozent gesunken. Vizepräsident Carlos Lage ist so optimistisch, dass er vor ein paar Wochen Vollbeschäftigung als ein durchaus erreichbares Ziel bezeichnete.

Motor des Wachstums ist der Tourismus. Rund zwei Millionen Urlauber kamen im vergangenen Jahr auf die Insel. Sie ließen zwei Milliarden Dollar zurück. In den kommenden Jahren sollen die Hotelkapazitäten so ausgebaut werden, dass zehn Millionen Feriengäste im Jahr kommen können. Dabei wird nicht nur an pauschale Strandurlauber gedacht, wie in den ersten Jahren des Tourismusbooms. Zur nötigen Quantität soll auch die Qualität kommen: Kulturreisende, die bereit sind, noch mehr Geld auf der Insel zu lassen.

Wer Kuba in den vergangenen Jahren regelmäßig besucht hat, kann den Fortschritt beobachten. Das einst vom Verfall gezeichnete Althavanna ist mit Hilfe der Vereinten Nationen fast zur Hälfte schmuck renoviert worden. Auch an der Uferstraße Malecón, wo Arkadenhäuser jahrelang vor sich hin gammelten, wird heute heftig gebaut. Und es ist nicht mehr so leicht, die sechsspurige Fahrbahn zu Fuß zu überqueren. Der Verkehr, der Anfang der Neunzigerjahre wegen Benzinknappheit fast zum Erliegen gekommen war, hat wieder deutlich zugenommen.

Seit zwei Jahren deutet sich auch eine Antwort auf die Frage an: Was kommt nach Fidel? Lange waren politische Auguren einfach davon ausgegangen, dass sein fünf Jahre jüngerer Bruder Raul die Nachfolge erben würde. Heute sieht es eher so aus, als ob der steife Apparatschik höchstens eine kurzfristige Übergangslösung sein wird.

Mit Vizepräsident Carlos Lage und dem erst fünfunddreißigjährigen Außenminister Felipe Pérez Roque steht die Enkelgeneration bereit. Die Jungen sind wie der Alte: pragmatisch, flexibel und doch hundertprozentig linientreu. Nur das Charisma Fidels, das haben sie nicht. kep