Tödliche Geschäfte mit Blut

Geschäftemacherei mit Blut lässt Aids in China rapide ansteigen. Regierung verschweigt das wahre Ausmaß

PEKING dpa ■ „Ich habe Fieber, mir tut alles weh“, sagt die alte Frau, schaut weinend und verzweifelt zu Boden. „Wenn ich etwas chinesische Medizin nehme, geht das Fieber zunächst zurück, kommt dann aber wieder.“ Mehr als die Hälfte der Menschen in ihrem Dorf Wenlou in der zentralchinesischen Provinz Henan sind mit dem Aids-Virus infiziert. Alle wollten nur Geld zum Leben verdienen und haben regelmäßig Blut gespendet. In Blutspendestationen wurde ihnen Blut abgezapft. Gleiche Blutgruppen wurden in einem Behälter gesammelt. Eine Zentrifuge gewann Plasma für pharmazeutische Zwecke aus dem Blut, das den Spendern danach wieder in die Venen gespritzt wurde. So konnten sie schneller wieder spenden. Umgerechnet knapp 10 Mark wurde jedes Mal bezahlt. Doch die hygienischen Zustände waren katastrophal. Nadeln wurden wieder verwendet, Behälter und Schläuche nicht gereinigt.

Das Dorf der Todgeweihten ist keineswegs ein Einzelfall, sondern nur ein Beispiel für die explosionsartige Aids-Epidemie in China, die von der Zentralregierung nur zögernd wahrgenommen und von lokalen Behörden vertuscht wird. Lokale Experten schätzen, dass es in der Provinz Henan allein 500.000 bis 700.000 Infizierte gibt. Nur, so viele räumen Gesundheitsbehörden in Peking heute für ganz China ein. Daher erscheint auch die offizielle Vorhersage von 1,5 Millionen landesweit bis 2010 zu niedrig. Denn wie das Dorf Wenlou ist auch die mit 100 Millionen Menschen bevölkerungsreichste Provinz Henan kein Einzelfall. Ähnliche Geschäftemachereien mit Blutspenden wurden auch aus den Provinzen Shaanxi, Guangxi, Hebei, Hubei, Shanxi, Gansu, Guangdong, Jiangsu und Sichuan gemeldet.

1998 wurden solche Blutspendepraktiken zwar verboten, doch soll es noch illegale Stationen geben, wo Menschen als Blut- und Plasmaproduzenten einkaserniert sind. Das Verbot war überfällig, verhindert die Katastrophe aber nicht, da sie bereits zuvor längst ausgelöst worden war.

„Es ist glorreich, Blut zu spenden. Helft den Kranken, rettet die Sterbenden. Eurem Körper wird nichts passieren“, habe ein Schild im Volkshospital in Wenlou verkündet, das 1992 mit dem Blutsammeln begonnen habe, berichten Opfer. Funktionäre des Gesundheitsamtes, dem Aids nicht unbekannt war, seien beteiligt gewesen. „Unser Dorf ist sehr arm“, sagt eine Frau. „Wir haben Blut verkauft, um Steuern zu zahlen, unsere Kinder durch die Schule zu bringen und zu leben.“ ANDREAS LANDWEHR