Alle meine Hunde

Vom Fuchs bis zum Teckel – irgendwann waren sie da und waren auch schon wieder weg

Mein erster Hund war kein Hund, sondern ein Fuchs, den die Bauern gefangen und in einen Hühnerkäfig gesteckt hatten. Ich marschierte – so berichtete meine Mutter – jeden Tag dorthin und wartete darauf, dass er „Wauwau“ machte, wie ich es aus meinen Bilderbüchern kannte.

Irgendwann war er nicht mehr da und andere, richtige Hunde tauchten in meinem Blickfeld auf (die übrigens auch nicht „Wauwau“ machten, das macht kein Hund). Nämlich die Bauernhunde. Die Bauern hielten sich Hunde nicht aus psychischen, sondern aus Gründen praktischer Natur. Sie bewachten den Hof, jagten den Kindern Angst ein und wurden für die Jagd gebraucht. Es waren hauptsächlich grau oder braun gefleckte Jagdhunde, die auf „Tyras“ und „Hektor“ hörten und fast immer an einer Kette lagen. Herr Bode von der gegenüberliegenden Meierei hatte einen Schäferhund, der versucht hatte mich zu beißen, als ich sieben Jahre alt war. Seitdem schickte ich meine kleine Schwester zum Milchholen.

Dank des Flüchtlingsstromes besaß das Dorf auch einen Zahnarzt, der unten bei uns im Hause, genauer gesagt: im Keller eine Praxis aufmachte. Er hatte einen Dackel, dessen Namen ich vergessen habe, aber wir tauften ihn „Pipi“, weil er, wo er ging und stand, eine Pfütze hinterließ. Für die beiden kleinen Kinder des Zahnarztes immer wieder ein Anlass, das arme Tier zu beschuldigen, wenn sie selbst sich vergessen hatten.

Später war ich dann mit einem Herrn liiert, der Hunde hasste, weil die Teckelschar, die in seinem Elternhaus das Kommando übernommen hatte, quasi von Geburt an auf den wertvollen alten Stühlen mit Gobelin-Stickerei sitzen durfte. Er durfte das erst, als er das Abitur hatte.

Dann zog Martina mit Timber unter mir ein, das war ein Beaucien, ein französischer Schäferhund. Timber war groß und schwarz mit brauner Schnauze und braunen Pfoten und sah so gefährlich aus wie ein Dobermann, was nur von Vorteil sein kann, wenn man eine Frau ist und in Hamburg-Altona wohnt. Wenn nachts in Martinas kleinem Garten irgendwer zugange war, dann merkte sie es jedes Mal daran, dass Timber unter ihr Bett kroch. Martina beschimpfte ihn dann, was ich oben alles haarklein mitkriegte. „Hört sich an, als wärt ihr verheiratet“, sagte ich. „Ist auch so ähnlich“, erwiderte sie, „jetzt hat er auch noch Prostata ...“

Der Garten nebenan war das Revier von Trixi, einer komplett haarlosen Dackelin, die zu Frau K. gehörte. Trixi war bösartig. Sie kannte mich seit mehreren Jahren, tat aber so, als hätte sie mich noch nie gesehen, und verteidigte ihre Chefin – oder doch eher sich selbst, ich hielt sie für eine Solipsistin –, als sei ich ein gedungener Killer. Nachts saß sie im Garten und bellte den Mond an oder einfach alles, was nicht Trixi hieß. „Echt taff dein Köter“, hörte ich einmal einen Punk bewundernd zu Frau K. sagen. Die Punkerhunde sind eher verspielt und harmlos, trotz ihrer martialischen Namen, Satan oder Wotan beispielsweise. „Wotan, beweg deinen Arsch, aber dalli!“ Einer heißt sogar „Kacke“. Und genau die ist es denn auch, die mich, seit ich in Hamburg lebe, von einer tiefergehenden Sympathie für Hunde abgehalten hat. FANNY MÜLLER