Auch billige Pillen sind teuer

Kenias Regierung will die Einfuhr billiger Aidspräparate erlauben. Aber weder die Politik noch das Gesundheitswesen scheinen dem Aids-Problem gewachsen zu sein

NAIROBI taz ■ Nach Südafrika will jetzt auch Kenia ein Gesetz beschließen, das die Einfuhr preisgünstiger generischer Medikamente anstelle teurer Markenpräparate zur Behandlung von Aidskranken erlaubt. Ein entsprechender Entwurf wird zur Zeit im Parlament beraten. Gesundheitsorganisationen und Kirchen drängen die Parlamentsmitglieder zur Annahme des Gesetzes – aber große Pharmakonzerne wollen das verhindern.

Der Kampf um die Meinung der Parlamentarier wird skrupellos ausgetragen. So bekam eine Gruppe von Abgeordneten eine kostenlose Einladung in die bei Touristen beliebte Stadt Mombasa am Indischen Ozean, um die Meinung der Pharmaindustrie zu hören. Die Volksvertreter lehnten ab, weil sie keine Erlaubnis vom Parlamentspräsidenten bekamen. Darüber freute sich eine Koalition von Organisationen, die sich für den Zugang zu billigen Medikamenten in Entwicklungsländern einsetzt. Die Sprecherin von „Ãrzte ohne Grenzen“, ein Mitglied der Koalition, meinte, dass die Pharmaindustrie „undurchschaubare Methoden“ einsetze, um die Parlamentarier zu beinflussen.

Damit die Parlamentarier solchen Versuchungen nicht doch nachgeben, verlangt der katholische Erzbishof Ndingi Mwana a’Nzeki Strafen für Abgeordnete, die sich bestechen lassen. „Wenn ein Parlamentsmitglied sich durch solche Methoden verführen lässt, ist das Verrat am Volk“, sagt er. „Ich habe die Kenianer aufgerufen, bei den Wahlen im nächsten Jahr nicht für solche Volksvertreter zu stimmen.“

Bislang sind Aidspatienten in Kenia auf die Präparate der großen Pharmakonzerne angewiesen. Antiretrovirale Drogencocktails kosten einen Patienten pro Jahr 8.000 Mark – unbezahlbar für eine Bevölkerung, von der die Hälfte in absoluter Armut lebt. Billigere Generika – Kopien der teuren patentierten Drogen – könnten den Preis für ein längeres Leben um mehr als die Hälfte reduzieren.

Der Preisunterschied zwischen Medikamenten mit und ohne Markennamen wird durch das Welthandelsabkommen (WTO) verursacht. Das internationale Patentrechtsabkommen der WTO namens Trips schützt Medikamente mit Markennamen durch Patente 20 Jahre, wodurch sie sehr teuer sind. Mit dem Geld können Konzerne die Entwicklung neuer Medikamente finanzieren. Es existiert jedoch eine Vorbehaltsklausel: Ein Land kann eine bestimmte Krankheit zur nationalen Katastrophe erklären und damit das Recht erhalten, unpatentierte Medikamente zu importieren oder selbst herzustellen. Aber das muss in einem Gesetz festgelegt werden. Um so ein Gesetz geht es jetzt in Kenia, dessen Präsident Daniel arap Moi Aids vor zwei Jahren zur nationalen Katastrophe erklärte.

Die Zahlen sprechen für sich. Mehr als 800.000 Kenianer sind bereits an Aids gestorben. Ungefähr 2,5 Millionen der 28 Millionen Einwohner Kenias sind HIV-infiziert.

„Ich muss Aidspatienten oft zum Sterben nach Hause schicken“, erzählt der Arzt Christoph Ouma am Mbagathi-Krankenhaus in Nairobi. „Mit Hilfe von Medikamenten könnte ich ihr Leben verlängern. Aber sie haben meistens das Geld nicht dazu.“ Im Mbagathi-Krankenhaus belegen HIV-/Aids-Patienten 80 Prozent der 169 Betten.

Aber mit billigeren Medikamenten ist das Problem nicht gelöst, meint Atia Yahya, Aidsexpertin einer privaten Krankenversicherung. „Die Mittel können schlimme Nebenwirkungen haben“, warnt sie. „Auch kommt es auf die genaue Dosis an, und dafür muss regelmäßig ein Arzt konsultiert werden. Das kostet Geld. Mit 50 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze können sich nur wenige einen Arztbesuch oder eine Krankenversicherung leisten.“

Außerdem müssen in Kenia neu importierte Medikamente erst geprüft werden. Das dafür zuständige Nationale Kontrolllabor ist damit überfordert. Professor Gilbert Kokwaro vom Kontrolllabor sagt: „Durch Geldmangel haben wir jetzt schon einen Rückstand. Wenn neue Mittel dazukommen, brauchen wir mehr Geld. Und das hat die Regierung nicht. Ohne Geld keine Prüfung, ohne Prüfung keine billigen Medikamente.“ ILONA EVELEENS