Friedensmission im Kaukasus

Mit seinem Aserbaidschan-Besuch will Bundesaußenminister Fischer den Konflikt um Berg-Karabach lösen helfen. Doch die Chancen für einen Frieden sind gering

ISTANBUL taz ■ Die Geste hätte den deutschen Außenminister gefreut: Erstmals seit Jahren reichten sich zwei Offiziere an der armenisch-aserbaidschanischen Front die Hand. Einen Tag, bevor Joschka Fischer in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku eintraf und dort für einen Friedensschluss zwischen den verfeindeten Nachbarn warb, war eine Delegation der OSZE in die umkämpfte Region Berg-Karabach gereist. Mit der OSZE-Delegation kam es zu dem historischen Treffen der beiden Kommandanten.

Auch wenn weitere Vereinbarungen der Militärs ausblieben, zeigte sich das russische Delegationsmitglied Nikolai Gribkow begeistert: „Dies ist ein wunderbarer Tag für alle. Sie haben Jahrhunderte Seite an Seite gelebt, wenn die richtige Zeit kommt, werden sie es wieder tun.“ Wann diese gekommen ist, ist die ungeklärte Frage in dem seit 12 Jahren schwelenden Konflikt. Deutschland werde alles tun, um einen Friedensschluss zwischen Aserbaidschanern und Armeniern zu unterstützen, versicherte Fischer seinem aserbaidschanischen Kollegen Wilajat Gulijew. Doch auch das wird den Südkaukasus dem Frieden kaum näher bringen. Am Krieg um Berg-Karabach haben sich schon andere die Zähne ausgebissen. Erstes Opfer war der damalige sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow. Vor vier Wochen hatte US-Präsident George W. Bush vergeblich versucht, die Kontrahenten in Florida zu einer Einigung zu bewegen.

Dass eine Vereinbarung so schwierig ist, führt der amerikanische Vertreter in der OSZE-Vermittlungsgruppe, Caray Cavanaugh darauf zurück, dass die Bevölkerung beider Länder von ihren jeweiligen Führungen nicht auf einen Frieden vorbereitet wurde und deshalb Kompromisse mit der anderen Seite ablehnt. „Wir haben versucht darzustellen, dass eine Einigung für beide Seiten zu einer ‚win-win situation‘ führt, aber das widerspricht der Mentalität. Hier denken sie, wenn einer gewinnt, muss der andere verlieren.“

Tatsächlich haben in dem Konflikt beide Seiten mehr verloren als gewonnen. Zwar haben die Armenier durch einen militärischen Sieg vor sieben Jahren die Kontrolle über die auf aserbaidschanischem Territorium gelegenen Enklave Berg-Karabach errungen, doch seitdem werden sie ihres Erfolges nicht froh. Berg-Karabach ist isoliert und arm, auch Armenien wird durch den Konflikt in seiner wirtschaftlichen und demokratischen Entwicklung behindert.

Aserbaidschan leidet unter 800.000 Flüchtlingen aus Karabach und angrenzenden, ebenfalls von Armenien eroberten Gebieten und kommt wirtschaftlich kaum voran. Fischer reiste zwar mit einem Tross von Geschäftsleuten nach Baku, doch die Hoffnung des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew auf ein größeres Engagement deutscher Firmen wird sich so bald nicht erfüllen. Bevor Aserbaidschan und Kasachstan, das Fischer gestern besuchte, ihre enormen Öl- und Gasvorkommen in Europa verkaufen können, braucht die Region Stabilität. Mit einem Friedensplan, den die OSZE-Vermittlergruppe vorbereitet, soll bei einem Treffen der Präsidenten Aserbaidschans und Armeniens im Juni in Genf die Voraussetzung dafür geschaffen werden. Noch ist fraglich, ob das Treffen zustande kommt. JÜRGEN GOTTSCHLICH