Gemeinheit wird orangefarben gerächt

■ Kirschner & Loock machen aus der Galerie im Künstlerhaus mit einem Wald aus Schaukeln einen Spielplatz, der bei Vorträgen für „Swing Brain Swing“ sorgen soll

Seit die Jungen Wilden in den 70ern das Gegenständliche rückerobert haben, ist immer mal wieder die Rede von der „Rückkehr zum Tafelbild“. Künstlerhaus-Kuratorin Dorothee Richter aber ist sich sicher, an dieser Rückkehr niemals teilnehmen zu wollen. Stattdessen knobelt sie ein Konzept nach dem anderen aus, das die normalen Ausstellungs-Bräuche sprengt. Diesmal greift sie in drei Ausstellungen eine 70er-Position wieder auf. Sie sucht sich mehrere Künstler, die gemeinsam ein Stück Kunst machen. Der Grund dafür: Sie glaubt nicht an das autonome Künstleridividuum, das ganz aus dem eigenen Denken und Erleben heraus schafft. Kunst ist für sie das „diskursive Feld“, das abgesteckt wird durch ein Netzwerk von Künstlern, Museumsleuten, Kunstwissenschaftlern.

Für die erste Ausstellung hat sie sich eine kleine Gemeinheit ausgedacht. Sie jagte zwei Künstler aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Einmal ist da der junge, stets mit sonnigem Lächeln durch die Welt gehende Manfred Kirschner. Er hat schon mal ein paar Jahre im Bauwagen gelebt, beschäftigte sich künstlerisch mit den Fliegen eines Kuhstalls (und ihren Exkrementen), krakelte idyllische Bildmotive (zum Beispiel einen Fallschirmspringer in einem Plantschbecken) auf essbares Papier, wobei er deren Käufer leider auffordern musste, die Bilder bis zu einem gewissen Datum zu verspeisen, weil nach diesem Datum der Zersetzungsprozess beginnt.

Demnächst wird Manfred Kirschner – zum ersten Mal in seinem Leben – nach New York fliegen und dort auf dem Bürgersteig vor einer bestimmten Galerie vogelwilde Geschichten erzählen über einen nichtexistenten Mann, die er mit poppig collagierten Fotos untermalt – „ein bisschen wie ein Wanderprediger“. Kurz, Kirschner ist ein Mann, der offensichtlich der Meinung ist, ein bisschen mehr Wahnsinn, Übermut und Buntscheckigkeit täte der Menschheit gut anstehen.

Die ältere Isolde Loock gesteht eine gewisse Neigung ein, in der Endphase einer Arbeit alles nochmal kräftig zu reduzieren auf das Essenzielle.

Die beiden bekamen von Richter den Auftrag, eine billige Möblierung des großen Galerieraums vorzunehmen, die sich für Vorträge und Performances eignet. Zwar „unterschied sich unsere Sprech- und Denkweise beträchtlich“, aber bald einigte man sich. Herausgekommen ist ein kleiner Racheakt gegenüber Richter. Weil ihre Vortragsgäste (und übrigens auch ihre eigene Redeweise) oft arg theoretisch daherkommen, wählte man Sitzgelegenheiten, die erstens so unbequem sind, dass sie nur Vorträge von 30 Minuten zulassen, und zweitens Bewegung ins Zuhörervolk bringen.

Eine rote Flauschdecke am Betonboden will die Gäste zum Indoor-Picknicken einladen. 35 Schaukeln sind so gehängt, dass es wohl zu Kollisionen unter den Benutzern kommen wird – schließlich hat Denkarbeit immer was mit Zusammenstoß zu tun.

„Ich habe bei der Arbeit viel über die Seilherstellung gelernt“, erzählt Kirschner. 2.000 Mark haben die bildschönen orangefarbenen Schaukelseile gekostet: Spezialanfertigungen eines alteingesessenen Bremer Handwerkbetriebs. Die dritte Sitzmöglichkeit sind lindgrüne Kinderhocker aus Plastik. Das alles ergibt ganz gewiss ein lustiges Bild. bk

Erste Schaukelei heute, Donnerstag, 20 Uhr, im Künstlerhaus am Deich 68. Am 25. Mai um 20 Uhr gibt es eine Musikperformance mit Video von Cherait & Fernandez, am 27. Mai ebenfalls um 20 Uhr referiert der New Yorker Museumsmann Gregory Sholette über Künstlerkollektive seiner Heimattown. Derzeit sind Kirschners „Theorieuntersetzer“ (akribisch gemalte Häkeltopflappen mit lustig-schlauen „Theorie“-Sprüchen) in der Galerie für Gegenwartskunst von Barbara Claassen-Schmal, Bleicherstraße 55, zu bewundern.