DER CASTOR NACH LUBMIN IST SINNVOLL – UND EINE BLOCKADE SINNLOS
: Blinder Reflex

Für Journalisten ist das Thema einfach. Bei den Stichworten „Castor“ plus „Transport“ plus „Protest“ reagieren sie mit dem Reflex „Schlagzeile“. So ist auch der Castor-Transport morgen aus dem brandenburgischen Rheinsberg ins Lager in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern eine Nachricht. Dabei ist die Aufregung unbegründet. Denn der Castor aus dem Osten in den Osten ist ein seltenes Beispiel dafür, dass Atomtransporte sinnvoll sein können. Anders als die Transporte, die im März ins Zwischenlager Gorleben gebracht wurden, und anders als die Castoren, die jetzt wieder zur Wiederaufbereitung nach Sellafield und La Hague rollen, setzt der Castor nach Lubmin nicht die falsche Atompolitik fort, sondern ermöglicht den Abbau eines Atomkraftwerks.

Das sollten die Demonstranten bedenken, die gegen den Castor auf die Schienen ziehen. Natürlich birgt jeder Atomtransport ein Risiko und natürlich muss die Anti-Atom-Bewegung ein wachsames Auge auf Lubmin haben, um ein mögliches gesamtdeutsches Atomlager dort zu verhindern. Aber selten gibt es weniger Anlass zum Protest als beim Abriss des maroden AKW Rheinsberg.

Die Protestbewegung steht vor einem strategischen Problem: Ist es sinnvoller, gegen jeden Castor überall und immer zu protestieren und in den Medien als „eine Handvoll Protestler“ zu erscheinen, oder sollten die Atomgegner sich auf wenige spektakuläre Auseinandersetzungen wie in Gorleben beschränken? Die Fernsehbilder von vereinzelten Demonstranten erwecken schließlich den Eindruck, der Protest habe ohnehin keine Chance. Blockaden verhindern die Atommülltransporte nicht, sie verzögern sie nur. Wichtig ist, dass sie Öffentlichkeit schaffen für die Anliegen des raschen Atomausstiegs. Doch wenn das falsche Objekt gesucht wird, ist der Protest sinnlos.

Vollends absurd werden die Aktionen, wenn die PDS sie anführt, die als Nachfolgepartei der SED politisch verantwortlich für den Schrottreaktor Rheinsberg ist und die über die katastrophale Lage der Umwelt am Ende der DDR beharrlich schweigt.

BERNHARD PÖTTER