Mad-nurse-disease-Punk

■ Die Punkveteranen von „No means no“ lockten auch jede Menge junge Menschenkinder in den Schlachthof

Seine Labber-Shorts muss Schlagzeuger Wright in einem mallorcinischen Touriladen erstanden haben. Und auch seine fragwürdigen Socken und der ordnungsgemäße Haarschnitt des Sängers beweisen, dass „No means no“ nach 20 Jahren Leben im Dröhnland alle lästigen Fragen des Geschmacks und Stylings längst hinter sich gelassen haben. Wohingegen die ebensfalls aus Vancouver stammende Vorband „Removal“ mit T-Shirt-Aufdrucken wie „Mad Cow Disease Experience“ und mit einem unterm Hemdärmel vorquellendem Tattoo sich noch um Sichtbarmachung von Andersgeartetheit bemühen.

Beide Bands sind Trios, eigentlich klar, wenn doch schon Gott die Trinität bevorzugte. Durch die Abwesenheit von Gesang beweisen „Removal“ überdies ihren unbedingten Kunstwillen. Dieser liegt in der Synkope. Zwar verzichtet ihr Schlagzeuger weitgehend auf spektakuläre Taktwechsel, aber wie er seine Vierviertel-Takte immer wieder ein bisschen anders auffüllt, Schläge weglässt, andere dazusetzt, das ist schon intelligent. Und wer sich eine halbe Minute lang in sein Highhat verbeißt und dann urplötzlich wieder zu den Trommeln herabsteigt, entstehen regelrecht explosive Momente. Im Zentrum aber steht der Bass, manchmal macht er sogar die Gitarre fast unhörbar. Ganz wie es sein muss, wechselt er hin und her zwischen deliranten Linien und langen, bohrenden Etüden über drei – manchmal sogar nur einem – Ton: Letzteres nennt man Intensität, das groovt. Wie einst bei „Swell“ tauchen manchmal Klangfundstücke auf: Bon Jovi, ein alpines Akkordeon oder eine Regierungserklärung. Kanada, sagt der Gitarrist in der Pause, quält sich mit den USA genauso herum wie Deutschland. Man ist den USA zwar dankbar für gewisse cineastische und popmusikalische Errungenschaften, leidet aber unter ihrem politischen Führungsanspruch. Außerdem hält er die Religiosität der Amis für genauso bescheuert und gefährlich wie die im Iran. Im wirklichen Leben ist er übrigens Krankenpfleger (“I'm a nurse“) für psychisch Beeinträchtigte, u.a. alk- und drogenkranke Indianer. Hardcorer waren schon immer die besseren Menschen.

„No means no“ sind schneller, härter, lauter. Ganz im Unterschied zu Minutemen oder Bad Religion lassen „No means no“ ihre Lieder oft zu epischen Formen anschwellen. Trotzdem fragt man sich manchmal, wie sie sich einst ihren Ruf als Punk-Avantgardisten erworben haben. Denn ihre Qualität liegt doch eher in ihrer Geradlinigkeit. Und der Sänger hat absolute Henry-Rollins-Qualitäten. Aus seinem aufgepumpten Hals prasselt ein kriegerisches Sperrfeuer, aber sobald er zu, naja, wie soll man das nennen, zu donnern aufhört, ist er die Freundlichkeit und Ruhe in Person. Am schönsten ist es, wenn nach Spannungspausen, die Hölle wieder von vorne beginnt, und immer nochmal und nochmal. Punk muss gesund sein wie Bachblütentee, so strotzend wie diese Fünfziger noch drauf sind. bk