Propfen vor der Therapie

■ Ärzte kritisieren: Hamburg bietet alkoholkranken Menschen zu wenig Beratung, weil es an entsprechenden Kapazitäten fehlt

Die Nachricht, mit der die Ärzte des „Sozialtherapeutischen Zentrums für Suchtkanke“ (STZ) gestern an die Öffentlichkeit traten, war an sich eine gute. Es sei gelungen, eine „optimale Behandlung“ zu entwickeln, die Alkoholabhängigen „auf ihrem schweren Weg aus der Sucht“ hilft. „Wir rechnen mit einer Erfolgsquote von 50 Prozent“, sagte der Mediziner Jost Fischer. Weil es an Beratungskapazität fehlt, erreiche diese Hilfe jedoch nur einen Bruchteil der rund 60.000 Alkoholkranken in Hamburg.

Nach dem Baukastenprinzip bietet das Humelsbütteler Zentrum fünf verschiedene Therapiestationen an, die einen sanften Übergang von stationärer über ambulante Behandlung bis zur Entlassung ermöglichen. „Wir wollen Patienten bei ihrer Entwöhnung so wenig wie möglich aus ihrem Alltag herausziehen“, erklärt die Psychologin Johanne Feldkamp. In der von ihr geleiteten Beratungsstelle „Die Hummel“ ist sogar eine ambulante, durch Akupunktur gestütze Entgiftung möglich. Gleichwohl sollen die Patienten, die mehr Halt und Struktur benötigen, dies auch bekommen. So betreibt das STZ seit 1997 eine Tagesklinik mit 24 Plätzen. Die stationäre Fachklinik mit rund 50 Plätzen bietet auch eine „Entlassphase“, in der die Patienten ihr Zimmer behalten, aber zu Hause schlafen. Je nach Bedarf des Patienten ist der Übergang zwischen diesen Stationen möglich.

Man habe eine „maßgeschneiderte Suchttherapie“ entwickelt, dies sei in Hamburg neu und bundesweit nahezu einzigartig, sagte Gert Müssig von der Marta-Stiftung, die das STZ betreibt. Er sei erfreut, dass die Kostenträger dies mitmachen. Dennoch verhindere der Mangel an Beratungskapazität wie ein „Propfen“, dass eine größere Zahl von Menschen eine Therapie beginnt.

Bei vielen Alkoholikern fehlte bislang die „Krankheitseinsicht“, ergänzt Johanne Feldkamp. Inzwischen würden aber die qualifizierten Entzugsangebote immer bekannter und damit die Patienten-Nachfrage größer. Das Problem dabei: Es gebe in allen Beratungsstellen für legale Drogen lange Wartezeiten, bevor es überhaupt zu einem zweiten, abklärenden Gespräch kommt. In der „Hummel“ betrage die Wartezeit vier Wochen, in einigen anderen Beratungsstellen „bis zu vier Monate“. Es müsse dringend auch mehr Geld für die Bekämpfung der Abhängigkeit von legalen Drogen geben.

In der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) hat man dieses Problem erkannt. Ein Erstgespräch sei leicht zu bekommen, sagt BAGS-Sprecher Stefan Marx. „Es gibt aber einen Engpass für weiterführende Beratung.“ Die Drogenbeauftragte werde dieses Thema im „Fachrat“ für Drogenhilfe mit den Trägern besprechen und nach Lösungen suchen. Eine Möglichkeit wäre, die Beratung stärker „suchtmittelübergreifend“ zu organisieren und damit die Zahl der Beratungsstellen an sich zu erhöhen. Marx: „Dies ist aber nur ein Vorschlag. Es darf nicht geschehen, dass andere Anhängige verdrängt werden.“ Kaija Kutter