Hat sich ausgefernsehspielt

Der SWR will seinen Produktionsbetrieb neu ordnen, mehr freie Firmen mit Aufträgen versorgen und dabei eine Redaktion über die Klinge springen lassen: das hoch gelobte Fernsehspiel-Ressort

von WOLFGANG MESSNER

Eigentlich hätten sie schon gestern sitzen sollen. Aber wegen „Terminschwierigkeiten“, so heißt es offiziell, ist die Tagung der 15 Verwaltungsräte des Südwestrundfunks (SWR) in Baden-Baden um einen Tag verschoben worden. In Wirklichkeit allerdings offenbar aus politischem Druck: CDU-Kräfte wollten verhindern, dass SWR-Intendant Peter Voß einen irreparablen „Gesichtsverlust“ erleidet.

Es geht um schwer wiegende Entscheidungen: Nach den umstrittenen Plänen des Intendanten soll die SWR-Fernsehspiel-Redaktion in die private Tochtergesellschaft „Maran Film GmbH“ ausgelagert werden. Daran wäre der SWR mit 51 und die Bavaria mit 49 Prozent beteiligt. Unabhängig davon ist eine verstärkte Fremdvergabe szenischer Produktionen („Tatorte“ mit Lena Odenthal etwa) an freie Firmen geplant. Auch bei den so genannten filmischen Formaten (TV-Dokumentationen und Features) möchte man die Hälfte von außen einkaufen. Die Folge: Die hoch gelobte SWR-Redaktion Film, Serien und Musik, die im vergangenen Jahr fast die Hälfte der Grimme-Preis-Träger betreute, wäre zerschlagen.

Offiziell wird die Privatisierung freilich anders begründet. Ziel des SWR sei es, die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit und damit die „Zukunftsfähigkeit“ des Senders zu stärken, heißt es. Ähnlich, ließe sich anfügen, wie dies bereits beim MDR geschehen ist. Nur hat der Ost-Sender mit seinen ausgegliederten Gesellschaften zumeist Verluste eingefahren. Ob die Privatisierung beim SWR gut geht, bezweifeln Kritiker. Denn Berechnungen der Redaktion belegen, dass man kostengünstiger arbeitet als die privaten Firmen. Da aber der Sender seine gesamte Verwaltung anteilig mit in die Herstellungskosten einrechnet, „sind wir nicht mehr konkurrenzfähig“, klagt ein Mitarbeiter.

Das sollen sie auch nicht sein, denn die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wünschen sich, dass mit der Maran die in den vergangenen zwei Jahrzehnten sträflich vernachlässigte Film-und-Fernseh-Landschaft erblüht. Eine nennenswerte Filmförderung gibt es in beiden Bundesländern nicht. Während sich in Bayern und NRW einen Privatsender nach dem anderen ansiedelte, hatte man die Entwicklung schlicht verschlafen. Nun soll der SWR den Kirch- und Bertelsmann-Molochen Paroli bieten und einen Teil des Kuchens an private Firmen abgeben – wenn’s geht, bitte an solche aus dem Südwesten.

Doch gerade jene Produzenten laufen Sturm gegen die Pläne. Sie fürchten die übergroße Konkurrenz der Bavaria. Der SWR behauptet zwar, die Bavaria werde nicht bevorzugt behandelt, nur glauben will dies niemand so recht. Intendant Voß musste bereits einräumen, dass es weder in Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz TV-Firmen gibt, die den Münchnern Konkurrenz bieten könnten. Die kleinen Firmen, so seine frohe Botschaft, könnten sich ja zusammenschließen, um Aufträge zu bekommen.

Die Interessengemeinschaft „film 20“ der 19 wichtigsten deutschen TV-Produktions-Gesellschaften erklärt, dass mit der Maran nur ein „eingeschränkter Wettbewerb“ möglich sei. Es sei „unverantwortlich, wie hier öffentlich-rechtliche und privatwirtschaftliche Interessen durcheinander gehen“, sagt deren Sprecherin (und ehemalige taz-Chefredakteurin) Georgia Tornow. Aber auch öffentlich-rechtliche Sender zeigen sich fassungslos. Der Fernsehfilm-Chef des WDR, Gebhard Henke, kritisierte entsetzt, dass „Angestellte einer Firma dann darüber entscheiden werden, ob lieber eine Schwarzwaldkomödie oder ein politisches Fernsehspiel von Heinrich Breloer entwickelt werden soll“.

Die öffentliche Schelte zeigte offenbar Wirkung. Kurzfristig sagte der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Lorenz Menz, die Tagung in Baden-Baden ab. Offizielle Begründung: 3 von 15 Mitgliedern seien aufgrund von Urlaub und anderen Verpflichtungen verhindert, andere würden durch die Koalitionsverhandlungen in Rheinland-Pfalz abgehalten. Tatsächlich aber ist die Sitzung wohl auf Druck der Politik abgesagt worden. Die baden-württembergische SPD-Landtagsfraktion hatte in einem Brief an Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) in dem neuen Filmvergabe-Modell eine „verhängnisvolle Entwicklung“ erkannt und für eine Verschiebung der Entscheidung plädiert.

Dem schlossen sich nun offenbar auch die CDU und mit ihr die konservativen Kräfte im Verwaltungsrat an, nicht zuletzt, um Intendant Voß vor einer empfindlichen Niederlage und einem damit einhergehenden „Gesichtsverlust“ zu bewahren, wie es ein Verwaltungsrat ausdrückt. Die Rundfunkräte fühlen sich ebenfalls übergangen. So monierte die Vizevorsitzende des Landesrundfunkrates von Baden-Württemberg und SPD-Landtagsabgeordnete Brigitte Kipfer in einem Brief an den Rundfunkrats-Vorsitzenden Hans Lambert, dass im Fall der Kompetenzverlagerung auf die Maran die Programmautonomie des Senders tangiert werde.

Unverhofft verspürt Voß von allen Seiten heftigen Gegenwind, besonders aus dem eigenen Haus: Zwar hat er den Mitarbeitern per Dienstanweisung einen Presse-Maulkorb verhängt. Doch am Mittwoch erreichte ihn eine Resolution von etwa 30 betroffenen Redakteuren, in der sie sich „außerstande“ sehen das Konzept mitzutragen. Eine Auslagerung der Fernsehspiel-Redaktion ohne die Zustimmung der Redakteure, das hatte selbst Voß erkannt, geht nicht.