Neuer Premier

Der neue Chef der Liberaldemokraten, Junichiro Koizumi, will seine Partei ändern sowie Japans Wirtschaft erneuern

TOKIO taz ■ Mit einem überraschend großen Vorsprung ist gestern Junichiro Koizumi zum Vorsitzenden der regierenden Liberaldemokraten (LDP) gewählt worden und wird damit die Nachfolge von Ministerpräsident Yoshiro Mori antreten. Koizumi setzte sich gegen seinen schärfsten Rivalen, den ehemaligen Ministerpräsidenten Ryutaro Hashimoto, mit 298 zu 155 Stimmen im ersten Wahlgang durch.

„Ich habe versprochen, die Partei und Japan zu verändern, und zum Glück haben viele Parteimitglieder meine Pläne unterstützt“, erklärte Koizumi nach der Wahl. Der unkonventionelle Politiker, der offen zugibt, dass ihm die Musik einer japanischen Heavy Metall Band besser gefällt als traditionelle Volksweisen, ist in den vergangenen Tagen zu einem der beliebtesten Politiker Japans aufgestiegen. Gemäß einer Umfrage der größten Tageszeitung Yomiuri Shimbun wird seine Wahl von 65 Prozent der Bevölkerung gutgeheißen.

Erstmals fand die Wahl nach einem neuen System statt, das Koizumi zum Sieg verhalf. Neben den liberaldemokratischen Abgeordneten im Parlament durften die Regionalverbände auch mitbestimmen. Koizumi fand mit seinem Wahlspruch „Ändern wir die Liberaldemokratische Partei und Japan“ lauten Beifall an der Basis und schaffte es, den traditionellen Einfluss altgedienter Parteifunktionäre oder so genannter Schattenshoguns in der LDP zu reduzieren.

Koizumi versprach im Vorfeld der Wahl, die traditionelle Machtpolitik der LDP zu brechen und das Land politisch und wirtschaftlich zu erneuern. Unter anderem will er die traditionelle Abhängigkeit des Premiers von Interessen der Parteiflügel befreien. Er werde deshalb die Ministerposten nicht nach den Vorgaben der Parteibosse vergeben, sondern Frauen, Jungpolitiker und fähige Experten aus der Privatwirtschaft in die Regierung holen. Noch ist unklar, ob er dies gegen die konservative Parteigarde durchsetzen kann. Das neue Kabinett wird voraussichtlich am Donnerstag vorgestellt und dann können die ersten Rückschlüsse auf seine Durchsetzungskraft gezogen werden.

Das Wirtschaftsprogramm Koizumis konzentriert sich auf Strukturreformen. Um die Neuformierung der Wirtschaft voranzutreiben, müsse die Nation für ein oder zwei Jahre auf wirtschaftliches Wachstum verzichten, hatte der 59-Jährige frühere Gesundheitsminister erklärt und sich bereit gezeigt, vorerst mehr Pleiten und steigende Arbeitslosigkeit hinzunehmen. Ohne Schmerzen gehe es nicht mehr, sagte Koizumi.

Unter anderem will Koizumi die Staatsverschuldung in Rekordhöhe stoppen und die eingeleitete Bankreform beschleunigen. Analysten warnen vor zu hohen Erwartungen und warten auf konkretere Details des Wirtschaftsprogramms nach der Kabinettsbildung. ANDRÉ KUNZ