Gemeinsam gegen die Regierung

Mit ihrem Papier zur Zuwanderungspolitik bewegt sich die CSU auf die CDU zu. Doch obwohl sie keine Asylrechtsänderung mehr fordert, scheint eine rasche Einigung mit der Bundesregierung in Sachen Einwanderung weiterhin nicht in Sicht

von NICOLE MASCHLER

Die CSU hat gestern ihr Konzept zur Zuwanderungspolitik vorgelegt. Seine Kernaussage macht wenig Hoffnung auf einen raschen parteiübergreifenden Konsens: Deutschland sei kein klassisches Einwanderungsland, heißt es in dem neun Punkte umfassenden Positionspapier, „und kann es aufgrund seiner historischen, geografischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten auch nicht werden“. Die CSU fordert daher eine „gesteuerte, kontrollierte Zuwanderung“. Dabei müssten auch die Asylbewerberzahlen berücksichtigt werden. Eine Begrenzung der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten sei unabdingbar.

Um die in Deutschland lebenden Ausländer besser zu integrieren, fordert die CSU Integrationskurse. Diese sollten neben der Sprache auch Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung vermitteln. „Maßstab für Integration“, so das Fazit der CSU-Zuwanderungskommission, sei „die in jedem Kulturstaat herrschende Leitkultur“. Mit dem Positionspapier hat sich die CSU weiter an die CDU angenähert. Beide Unionsparteien hatten sich auf ein gemeinsames Asylkonzept verständigt, wonach Missbrauch zunächst ohne die von der CSU lange geforderte Grundgesetzänderung bekämpft werden soll. Es sieht ein Zwei-Stufen-Modell zum Asylrecht vor: Zunächst solle der Asylmissbrauch durch eine einfache gesetzliche Regelung deutlich gemindert werden. Dadurch sollten Verfahren beschleunigt, Berufungen verringert und die Abschiebungen beschleunigt werden. Eine Änderung des Grundgesetzes will die Union nur anstreben, wenn einfachere Mittel nicht wirken. Der Vorsitzende der CSU-Zuwanderungskommission, Bayerns Innenminister Günther Beckstein, bestätigte gestern, dass beide Parteien letztlich ein gemeinsames Papier verabschieden wollen.

Die CDU will ihren Entwurf in einer Woche präsentieren, bevor beide Unionsparteien am 10. Mai gemeinsame Positionen vorstellen. „Wenn man in der Opposition in Berlin ist, dann muss man schauen, wie man die Kräfte bündelt, und nicht in erster Linie untereinander streitet“, so Günther Beckstein.

Streiten will die Union lieber mit der rot-grünen Regierung. Rasche Einigung über eine Einwanderungsregelung schloss CSU-Chef Edmund Stoiber jedenfalls gestern aus. Die Bundesregierung denke derzeit eher an eine Ausweitung des Asylrechts, so Stoiber. Tatsächlich wollen die Grünen auch nichtstaatliche Verfolgung als Asylgrund anerkennen. Zudem, so Stoiber, hätten sich die Regierungsparteien bislang nicht einmal auf ein gemeinsames Konzept geeinigt.

Zwischen SPD und Grünen gibt es Unstimmigkeiten in der Frage der Integrationsförderung. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat sich für Pflichtsprachkurse für Zuwanderer ausgesprochen und war damit der Union entgegengekommen. Die Kosten für die Kurse sollten die Zuwanderer tragen, so Müntefering, sofern sie dafür die Mittel hätten. Eine Forderung, der Grünen-Chefin Claudia Roth am Sonntagabend widersprach. Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, sieht die Finanzierung der Sprachkurse als „Gemeinschaftsaufgabe“.

Während Rot-Grün noch über diese Frage streitet, hat die Union bereits neue Forderungen auf den Tisch gelegt. Ihr stellvertretender Fraktionschef Wolfgang Bosbach forderte eine Abschlussprüfung in den geplanten Integrationskursen. Wer einen solchen Test bestehe, „sollte einen Vorteil haben“. Immerhin hat die CDU im Gegensatz zur CSU erkannt, dass sich die Integration nicht wie Lateinvokabeln abfragen lässt. „Ob sich jemand integriert fühlt“, so Bosbach, „dauert sicher bei dem einen oder anderen länger oder kürzer.“