In Zukunft gemeinsam gegen Aids

Südafrikas Regierung hat der Pharmaindustrie den Rückzug ihrer Klage gegen ein Gesetz abgerungen, das Produktion und Import billiger Aidsmedikamente ermöglicht. Beide Seiten erklären das zum eigenen Sieg und wollen zusammenarbeiten

aus PretoriaMARTINA SCHWIKOWSKI

Der Jubel im Gerichtssaal D2 im High Court in Pretoria war ohrenbetäubend. Protestgruppen feierten spontan einen Sieg, der als Vorzeigefall für die Entwicklungsländer gilt. Die mächtigen multinationalen Konzerne der internationalen pharmazeutischen Industrie haben gestern in Pretoria ihre Klage gegen die südafrikanische Regierung zurückgezogen.

Doch von einer Niederlage war nach außen nicht die Rede. Der südafrikanische Pharmaverband ging erhobenen Hauptes aus dem Gerichtssaal, nachdem ihr Vertreter angekündigt hatte, dass alle 39 gegen die Regierung klagenden Firmen den Fall niederlegen. Der Grund für die ausgestrahlte gute Stimmung: „Wir haben außerhalb des Gerichtssaals eine Einigung gefunden. Die Regierung wird die Pharmaindustrie in weitere Reglementierungen zur Ausführung des Gesetzes einbeziehen“, sagte Mirryena Deeb, Sprecherin des Verbandes der Pharmaindustrie, noch im Gerichtssaal.

Gesundheitsministerin Dr. Manto Tshabalala-Msimang, Vertreterin der von der Industrie verklagten Regierung, erklärte unterdessen den Rückzug der Konzerne als Sieg für ihre Seite. „Wir sind froh, dass die Pharmabetriebe endlich anerkennen, dass wir einen legitimen Kampf geführt haben und unsererseits ebenfalls die internationalen Handelsabkommen einhalten.“ Sie versicherte, bei den Verhandlungen hinter verschlossenen Türen keine Konzessionen gemacht zu haben. Es sei aber nicht einfach gewesen und habe viele schlaflose Nächte gekostet. Auch ein Telefonat zwischen UN-Generalsekretär Kofi Annan und Südafrikas Präsident Thabo Mbeki habe zum abschließenden positiven Ergebnis dieses Streitfalles geführt.

Die Ministerin machte klar, dass das 1997 von Südafrikas Regierung entworfene Gesetz zum Import billiger Medikamente, gegen das die Konzerne geklagt hatten, nicht verändert werde. Es sei keine weitere Zeit zu verschwenden, sagte sie. Seit die Pharmabetriebe direkt nach Unterzeichnung des Gesetzes durch den damaligen Präsidenten Nelson Mandela vor Gericht gezogen waren, ist seine Anwendung blockiert gewesen.

Die Gesundheitsministerin will nun bereits in den nächsten Tagen ein Treffen mit Vertretern der Pharmaindustrie vereinbaren, um eine gemeinsame Arbeitsgruppe einzurichten. Die ehemaligen Streitparteien sollen künftig das Thema Gesundheitsversorgung gemeinsam diskutieren, und die früheren Ankläger werden von der Regierung zu Rate gezogen.

Der Verband der Pharmahersteller zeigte sich optimistisch, eine Partnerschaft mit der Regierung „im Interesse aller Südafrikaner“ einzugehen. Der Fall sei zu einem „Aidsfall“ geworden, da Südafrikas Aidskrise in den vergangenen Jahren schlimmer geworden sei, sagte ein Sprecher des Verbandes. „Da sehen wir unsere Verantwortung zu einer neuen Partnerschaft mit der Regierung.“ Zumal Tshabalala versichert habe, dass Südafrikas Regierung die Produktion von Generika – billige Nachahmungen patentierter Medikamente – im Land zulassen könne, ohne das bestehende Patentrecht zu brechen. Weiterhin soll aber die umstrittene Zusatzklausel 15 C des Gesetzes, gelten. Diese regelt die gleichzeitigen Importe von Generika, was die Konzerne weiterhin ablehnen – genug Material für Streit ist also noch übrig.

Die Gruppe der Aidsaktivisten „Treatment Action Campaign“ (TAC) sieht sich absolut auf der Gewinnerseite. „Jetzt ist es unsere Aufgabe, dafür zur sorgen, dass die Regierung auch hält, was sie verspricht. Die Medikamente müssen dahin gelangen, wo sie gebraucht werden“, sagte TAC-Vorsitzender Zackie Ahmat und kündigte an, sein Verband werde weiter für Preisreduzierungen streiten. Obwohl der Fall positiv entschieden worden ist, meinte er, fehle in Südafrika die Infrastruktur, um den Sieg sofort in einen Vorteil für die Bevölkerung umzumünzen.