INDONESIENS PRÄSIDENT WAHID DISKREDITIERT SICH ENDGÜLTIG
: Der letzte Trumpf

Wie verzweifelt muss ein Staatschef sein, wenn er dem Parlament mit einem gewaltsamen Aufstand droht? 400.000 seiner Anhänger stünden bereit, verkündete gestern Indonesiens Präsident Abdurrahman Wahid, um nächste Woche in der Hauptstadt gegen das ihm von der Volksvertretung angedrohte Amtsenthebungsverfahren wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten zu demonstrieren. Dass Wahid diese Drohung ausgerechnet auf einer hochkarätigen Konferenz mit dem Titel: „Als Nächstes Indonesien: Der Aufstieg aus der Krise“ aussprach, war kein ironischer Zufall – sondern das Ausspielen seines vermeintlich letzten Trumpfes.

Die Drohung des Präsidenten ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Als langjähriger Vorsitzender der größten Organisation des Landes, der muslimischen Vereinigung „Nadlatul Ulama“ mit rund 30 Millionen Mitgliedern, hat Wahid trotz fehlender Mehrheit im Parlament eine gewisse Massenbasis. Mit dem Anzünden von Büros gegnerischer Parteien hat diese bereits signalisiert, dass sie bereit ist zu kämpfen.

Wahids jetzige Drohung zeigt, dass Indonesien mitnichten – wie der Titel der gestrigen Konferenz suggerierte – die Krise hinter sich lässt. Vielmehr droht das Land darin zu versinken. Nach 18-monatiger Amtszeit hat der Präsident abgewirtschaftet. Wer das größte muslimische Land der Welt schon voreilig als drittgrößte Demokratie des Globus bezeichnete, wird jetzt von dessen Staatschef eines Besseren belehrt: Ausgerechnet der einstige Hoffnungsträger droht einem Parlament, das erstmals seinen Job machen will – nämlich die Regierung zu kontrollieren –, mit der Gewalt eines Mobs. Sicher, Wahids Ärger über die Volksvertreter ist verständlich: Schließlich habe sie 30 Jahre lang den Diktator Suharto gewähren lassen. Aber heute ist das Parlament wesentlich demokratischer. Und wenn Wahid so unschuldig ist, wie er behauptet, könnte er dem Amtsenthebungsverfahren doch gelassen entgegensehen. Stattdessen diskreditiert der Präsident, dessen erratischer Führungsstil schon viele Verbündete verprellt hat, sich jetzt endgültig.

Indonesiens Zukunft sieht finster aus – auch deshalb, weil keine auch nur halbwegs überzeugende Alternative zu Wahid in Sicht ist. Seine Stellvertreterin und mutmaßliche Nachfolgerin Megawati Sukarnoputri zeichnet sich nur durch Schweigen aus, während das Land an schweren Unruhen zu zerbrechen droht. Gestern bot Wahid dem Nachbarn Philippinen eine Vermittlung im Konflikt mit den muslimischen Separatisten im Süden an. Doch vielmehr braucht Indonesien selbst eine Kraft, die innerhalb der politischen Elite vermittelt, um diese zu einer konstruktiven Lösung der Probleme des Landes zu bewegen. SVEN HANSEN