Grüner will Schily die Ausländer klauen

Mögen andere über ein Einwanderungsamt streiten, Cem Özdemir träumt von einem eigenen Ministerium für Migration. Im Bundestag soll es einen Ausschuss für Zuwanderung geben, fordert der Innenexperte der Fraktion

BERLIN taz ■ Er sei, sagt Cem Özdemir, ein Realist. Aber auch als solcher sind Träume manchmal erlaubt. Und so sprach der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, gerade von einem einwöchigen Aufenthalt in den USA zurückgekehrt, gestern über seinen Traum: ein Bundesministerium für Einwanderung und Integration.

Dass Zuwanderungsfragen beim Bundesministerium des Inneren angesiedelt sein müssen, darüber ist für Özdemir „noch nicht das letzte Wort gesprochen“. Seine Forderung habe nichts mit dem derzeitigen Amtsinhaber Otto Schily zu tun, zu dem er bekanntlich sehr gute Beziehungen pflege. Doch es gebe nun einmal eine Reihe von Querschnittsaufgaben, die mit dem Thema Zuwanderung zusammenhingen und in einer Stelle gebündelt werden sollten. Ein Migrationsministerium, das laut Özdemir schlank und effektiv sein müsste, könnte zu einer Art „Anlaufstelle für alle Fragen der Zuwanderung“ werden. Mit seinem Vorschlag hat sich Özdemir in der derzeitigen Debatte um die Ausgestaltung der künftigen Einwanderung am weitesten vorgewagt.

Erst kürzlich war aus der Einwanderungskommission von Rita Süssmuth durchgesickert, dass dort die Idee eines Bundesamts für Migration auf Zustimmung stößt. Der Präsident des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl), Albert Schmid, hatte bereits im Februar in der taz die Bereitschaft seiner Behörde signalisiert, für eine solche Aufgabe bereitzustehen. Derzeit werden Einwanderer neben dem BAFl von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg und dem Bundesverwaltungsamt in Köln betreut.

Doch als sich diese Woche die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) für ein Einwanderungsamt aussprach, rief sie prompt den Widerspruch des innenpolitischen Sprechers der CSU im Bundestag, Wolfgang Zeitlmann, hervor. Wohl auch wegen der anhaltenden öffentlichen Skepsis einem solchem Amt gegenüber hält sich Özdemir mit Prognosen über die Einrichtung eines Ministeriums zurück. Das sei derzeit „Zukunftsmusik“. Der Idee des BAFl-Präsidenten Schmid, seiner eigenen Behörde als eine Art Einwanderungsagentur neue Aufgaben zuzuführen, bringt Özdemir zwar ein gehöriges Maß an Sympathie entgegen. Doch dürfe auch nicht der Eindruck entstehen, man wolle durch die rückläufigen Asylbewerberzahlen einen drohenden Stellenabbau des Amtes durch „einen Umbau auffüllen“. Das Amt, das derzeit 2.300 Mitarbeiter zählt, müsse nachweisen, dass es seine Arbeit besser mache als andere. So habe etwa die Bundesanstalt für Arbeit sehr viel Zuspruch für ihre Handhabung der Green-Cards erfahren – neue Strukuren schaffe man daher nur, wenn sich alte als unfähig erwiesen hätten.

Durchaus für sinnvoll hält Özdemir Überlegungen, Mitarbeiter des BAFl als Einwanderungsberater an deutschen Auslandsvertretungen zu stationieren. Ein Sachverständigenrat für Zuwanderung solle allerdings wissenschaftlich unabhängig sein – ähnlich den Wirtschaftsweisen.

Bei aller Zukunftsmusik: Zwei Reformen hält Özdemir auf absehbare Zeit für umsetzbar. Zum einen könnte es noch bis 2002 zur Einrichtung einer ständigen Querschnittsarbeitsgruppe im Bundeskabinett kommen, wie sie bereits zeitweise bei der Regelung für die Green-Cards der IT-Branche bestand. Sie solle klären, „was wann wie schnell umgesetzt werden kann“. Zum anderen sollte, unabhängig von der Frage eines Ministeriums, ein eigenständiger Migrationsausschuss im Bundestag geschaffen werden. Hier könnte, so Özdemirs Hoffnung, ähnlich wie im Menschenrechtsausschuss parteiübergreifend gearbeitet werden. Denn die Zeit der „ideologischen Großschlachten“ über Zuwanderung sei „im Großen und Ganzen“ vorbei. SEVERIN WEILAND