Angucken und Ausspannen

Wer sich die Reise auf die Malediven nicht leisten kann, braucht sich demnächst einfach nicht mehr vom Fernsehsofa wegzubewegen: Reisesender mit 24-Stunden-Angebot drängen auf den Markt

von JAN FUHRHOP

Goldene Halsketten, Hantelbänke – es gibt kaum etwas, das man nicht per „Shopping-Kanal“ übers Fernsehen kaufen kann. Und jetzt wird ein neues Feld erschlossen: Urlaubsreisen. Fernsehzuschauer werden bald die Möglichkeit haben, sich 24 Stunden am Tag Reisereportagen und -Shows anzusehen – um dann im Idealfall sofort ihren Traumurlaub zu buchen: Vom Fernsehsessel ins Flugzeug.

Via 1 ist Deutschlands bislang einziger TV-Reise-Kanal mit Vollprogramm und wurde von dem Hamburger Unternehmen HomeNet im Mai 2000 ins digitale Kabelnetz eingespeist. Bei Via 1 werden den Zuschauern Pauschal- und Individualreisen, Abenteuerreisen, Charter- und Linienflüge sowie Hotels angepriesen von Moderatoren (wer Ex-Sat.1-Nervensäge Ricky Harris vermisst hat, sollte einfach mal reinschauen), die mit „Experten“ über das jeweilige Reiseziel reden. Mit Hilfe der eingespielten Filmbeiträge soll man sich ein Bild von Hotel und Umgebung machen. Dabei variieren die Filme von einem kurzen Rundgang über die Hotelanlage bis zu einem 45-Minuten-Beitrag über spezielle Resorts in Afrika.

Und wie bucht der moderne, urlaubsreife Mensch nun? Telefonisch über das Call-Center oder gleich vom Sofa aus: Über das so genannte „TV-Tracking“ können die Digital-TV-Nutzer per Fernbedienung weitere Informationen über die Angebote einholen, später soll auf diese Weise auch die Reisebuchung abgewickelt werden können.

Doch nur mit dem Zeigen von Sonne und Sandstrand schreibt der Sender nach knapp einem Jahr noch rote Zahlen. Das liegt vor allem an der geringen Reichweite des digitalen Netzes von rund drei Millionen Haushalten.

Im ersten Halbjahr 2002 will die Hot Networks AG einen eigenen 24-Stunden-Reisensender mit dem sinnigen Namen „urlaubsreif“ starten, der neben dem Shopping-Kanal HOT und tm3 die dritte Säule einer „neuen Sendergruppe für Transaktionsfernsehen“ werden soll, wie HOT-Vorstandsvorsitzender Georg Kofler sagt.

Laut tm3-Chefin Christiane zu Salm wird der Reisesender sich jedoch nicht exklusiv an einen Veranstalter binden, sondern grundsätzlich mit allen leistungsfähigen Unternehmen zusammenarbeiten. Finanziert werden soll der Kanal durch Provisionen auf die verkauften Reisen, klassische TV-Werbung und Sponsoring.

Auch die Briten, die seit gut zwei Jahren auf der Insel mit dem „TV Travel Shop“ und „Travel Channel“ zeigen, wie’s geht, wollen sich rechtzeitig einen Platz im deutschen Markt sichern. Ein Ableger des „TV Travel Shop“ startet im Juni via Astra-Satellit. Besonderheit: Dies ist der einzige Touristikkanal, an dem sich ein Reiseveranstalter direkt beteiligt – die TUI steigt mit 25 Prozent bei den Briten ein. TUI-Sprecher Mario Köpers ist sich aber sicher, dass das Fernsehen den Reisebüros nicht den Rang ablaufen wird.

Auf gute Geschäfte in Deutschland wartet auch der belgische Sender „libertytv.com“ der im Dezember 1999 im Heimatland mit seinem Programm begann und im Kabelnetz sendet. In Belgien kommt das Reise-Shopping per TV gut an: Die Zuschauerzahl pro Woche stieg in einem halben Jahr um 77 Prozent auf 1,2 Millionen.

Trotz der Aufbruchstimmung auf dem Reise-TV-Markt wurden die Erwartungen aus dem Internetgeschäft eher enttäuscht: Die meisten Menschen buchen nach wie vor lieber im Reisebüro um die Ecke. Klaus Laepple, Präsident des Verbandes Deutscher Reisebüros und Reiseveranstalter (DRV) beurteilte im Februar den Umsatz über TV-Kanäle als völlig unbedeutend, und nur ein Prozent der Reisewilligen buchen über das Internet. Die Reisebüros dagegen verzeichnen Umsatzssteigerungen. Denn das gute Gefühl, das der Kunde bei der Buchung eines Urlaubs haben wolle, so der DRV-Präsident, vermittle ihm schließlich „nicht der Bildschirm, sonden der aufmerksame und kompetente Reisebüro-Mitarbeiter.“

Das kann sich jedoch ändern: Bei der Entscheidung, wo man die rare Freizeit verbringen möchte, geht es auch um Information über den Urlaubsort. Und da erfährt man aus einem gut gemachten Filmbeitrag womöglich mehr als von dem Reisebüromitarbeiter, der das Hotel auch nur aus dem Katalog kennt.