Chinas neuer Gulag

Anhänger der Falun-Gong-Sekte klagen über systematische Folterung in chinesischen Umerziehungslagern. China verweist dagegen auf generell verbesserte Menschenrechtslage

PEKING taz ■ Anhänger der buddhistischen Falun-Gong-Sekte, die aus chinesischen Umerziehungslagern entlassen wurden, haben erstmals berichtet, dass sie systematisch gefoltert wurden. Ihre Aussagen über Misshandlungen mit Elektroschockstäben und andere Foltermethoden sind, wenn schon nicht beweisbar, so doch glaubhaft. Seit dem Verbot der Sekte im Juli 1999 hat die chinesische Polizei nach Auskunft von westlichen Menschenrechtsorganisationen über zehntausend Sektenanhänger ohne Gerichtsurteil in Umerziehungslager eingewiesen. Die meisten von ihnen haben die Lager noch nicht wieder verlassen, weshalb Zeugenberichte von gefolterten Falun-Gong-Anhängern bislang auf Erfahrungen in der Untersuchungshaft beruhten, nicht aber auf den alltäglichen Gräueln während der Umerziehung.

Die Misshandlung der Falun-Gong-Anhänger in China veranlasste die US-Regierung, in ihrem letzten Menschenrechtsbericht von einer „Verschlechterung der Menschenrechtslage in China“ zu sprechen. Auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer kritisierte kürzlich vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf das Vorgehen der chinesischen Behörden gegen die Sekte.

Trotzdem soll sich die soziale Menschenrechtslage in China in den letzten Jahren erheblich verbessert haben. Das sagt zumindest ein Weißbuch über den „Fortschritt der chinesischen Menschenrechtssache im Jahr 2000“, das die Regierung in Peking gestern vorgelegt hat. „Das Problem der Versorgung der Allerärmsten mit Nahrung und Kleidung ist grundsätzlich gelöst, was im Kontrast zur weltweit steigenden Zahl der Allärmsten steht“, heißt es dort. Das Weißbuch behauptet zudem, China gelte aus Sicht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) als Modell für die Armutsbekämpfung.

Auf diese Entwicklung nimmt auch die Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, Mary Robinson, Rücksicht. Sie kritisiert die Regierung in Peking nicht generell, sondern aufgrund einzelner, allerdings systematischer Verstöße gegen die Menschenrechte. Als wichtigsten nennt sie den Fortbestand der Umerziehungslager.

In Hongkong reagierte gestern die Menschenrechtsorganisation „Human Rights in China“ auf den taz-Bericht: „Gerade weil es in Europa wenig Sympathie für Sekten gibt, ist es gut, wenn die Berichte der Umerziehungsopfer dort zuerst veröffentlicht werden“, sagte Sophia Woodman von HRiC.

Die Unterdrückung von Falun Gong in China dürfe aber nicht dazu führen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der Sekte unterbleibt, erklären deutsche Sektenberater gegenüber der taz. Sie kritisieren insbesondere die dominante Stellung des Gurus Li Hongzhi und seine fragwürdige Ideologie. GEORG BLUME

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