Liebe als Motor von Veränderungen

■ Heute startet „Love Me“ im Metropolis. Ein Interview mit der Regisseurin des Films, Laetitia Masson

Mit ihrem neuen Film Love Me schließt Laetitia Masson ihre Trilogie über „Arbeit, Geld und Liebe“ ab. Wie in der prämierten Arbeitslosenromanze Haben (oder nicht) und dem Roadmovie Zu verkaufen spielt Sandrine Kiberlain die Hauptrolle. In der androgynen Schönheit hat die 34-jährige französische Regisseurin die ideale Besetzung für ihre Konzeptfilme gefunden. In Love Me stellt sie eine junge Frau dar, die über ihre unerfüllbare Liebe zu einem gealterten Rock'n'Roll-Star (Johnny Hallyday) den Bezug zur Wirklichkeit verliert.

taz hamburg: Love Me ist ihr dritter Film über weibliche Identitäts- und Liebeskonzepte – und es ist ihr kompliziertester. Haben Sie keine Angst, den Zuschauer zu überfordern?

Laetitia Masson: Nein, das ist eben meine Art zu erzählen. Klar, könnte ich lineare Geschichten konstruieren. Aber Love Me handelt ja gerade von der Komplexität der Wirklichkeit und der Abstraktion bestimmter Gefühle. Schließlich findet alles im Kopf der weiblichen Hauptfigur statt.

Es gibt in Love Me keine Realitätsebene?

Doch, natürlich hat die Frauen-figur ihre Realität. Sie lebt in einem Wohnwagen, arbeitet in einem hässlichen Nachtclub, schafft es nicht Sängerin zu werden, die Liebe zu finden. Kurz, ihr gelingt nichts. Also flüchtet sie sich ins Koma, indem sie ständig trinkt. Dabei versucht sie, sich selbst neu zu erfinden.

Als Blondine in rosa Reizwäsche und rosa Kleidern.

Ja, denn das entspricht dem populären Bild von der Traumfrau. Ihre Träume sind antiquierte Klischees: Rock'n'Roll, Federboas, rosa Kleider, das alles gehört dazu.

Sie entwerfen hier ein ganz anderes Frauenbild als in Zu verkaufen. Dort trat Sandrine Kiberlain als Frau auf, die ihre Gefühle beherrschen will, indem sie sich für die Liebe bezahlen lässt ...

... und hier spielt sie eine Frau, die sich nicht mag und sich komplett aufgibt für jemand anderen. Es geht mir darum, zwei extreme und gegensätzliche Haltungen zu zeigen: den Versuch, sich gegen die Liebe zu schützen oder sich ihr zu unterwerfen.

Beide Male scheitern die Frauen. Was wollen Sie damit be-weisen?

Im Grunde ist die Liebe nur der Motor für die Frauen, sich zu verändern, jemand anderes zu sein. Der Trend geht heute schließlich in eine andere Richtung: Die meisten Menschen versuchen, sich selbst zu finden. Als ob es so toll wäre, man selbst zu sein. Nicht das Ich ist spannend, sondern die Begegnung zwischen zwei Menschen. Nur ist es schwierig, die richtige Balance zwischen den Vorstellungen vom Ich und dem Anderen zu finden.

Während viele Filmemacher heute von der Seelenschau Abstand nehmen, räumen Sie in Ihrem Film der Psychoanalyse sogar eine zentrale Stellung ein.

Das begreift der Zuschauer allerdings erst am Ende. Zunächst sieht er nur einen geheimnisvollen Fremden mit einem Revolver, der die Frau verfolgt. Er repräsentiert eine Gefahr. Erst später wird klar, dass diese Bedrohung von einem Psychoanalytiker ausgeht. Er bedroht sie, indem er ihr ihre Vergangenheit vor Augen hält und damit ihre Traumwelt zerstört.

Warum sind die Frauenfiguren in Ihren Filmen immer so allein?

Weil die Position der Einsamkeit es ihnen eher erlaubt zu hinterfragen, wie die Wirklichkeit funktioniert. Es ist einfacher, über sich nachzudenken, wenn man an einem leeren Strand ist als inmitten von Menschen.

Dabei ist es Sandrine Kiberlains großer Leinwandpräsenz zu verdanken, dass die Figur auch sehr körperlich wirkt.

Genau, so abstrakt die Story auch ist: Viele Szenen mit Sandrine Kiberlain sprechen für sich. Etwa am Anfang, wenn sie singt und tanzt. Da kann sich der Zuschauer mitreißen lassen von ihrer Grazie, ihrem Humor, ihrer Unbeholfenheit. Man denkt: Okay, sie ist ein bisschen komisch, aber das macht sie auch interessant. Wenn Sie als Zuschauer jedoch an die Hand genommen werden möchten, sollten Sie nicht in meine Filme gehen. Das können andere Regisseure besser als ich.

Interview: Ariane Heimbach

heute, 8. , 10., 13. , 15. + 17.4., 21.15 Uhr, 12.4., 17 Uhr, 18.4., 19 Uhr, Metropolis