Theorien wie Zahnbürsten

Ein wissenschaftlicher Bericht vom 24. Kongress der D.O.N.A.L.D.I.S.T.E.N. in Carlsruhe

Das Trauma ist in Entenhausen allgegenwärtig: Mitunter steht Gänsebraten auf dem Tisch

Und lieg’ ich dereinst auf der Bahre / so denkt auch an meine Guitahre / und legt sie mir mit in mein Grab („Der rührselige Cowboy“, offizielle Hymne der D.O.N.A.L.D.)

Gibt es Gott? Ach was! Außerdem: Wen interessiert das schon? Gibt es Entenhausen? Aber selbstverständlich! Leider wissen wir nicht genau, wo. Auf dieser unserer Erde? Oder in einem Paralleluniversum? Und damit nicht genug der Fragen: Wie ist es um die klimatischen Bedingungen Entenhausens bestellt? Was kennzeichnet seine Architektur? Welche Rolle spielen Justiz, Diplomatie, Militär? Und was, bitteschön, unterscheidet die Entenhausener Neurotische Nachtigall (Alauda neurotica) von hier zu Lande bekannten Nachtigallen?

Ein weites Feld für die D.O.N.A.L.D., die Deutsche Organisation Nichtkommerzieller Anhänger des Lauteren Donaldismus. Die tagte am vergangenen Wochenende im Staatlichen Naturkundemuseum zu Karlsruhe. Hab’ ich geschrieben „Karlsruhe“? Pardon: Carlsruhe muss es heißen – zu Ehren des im vorigen Jahr verstorbenen „Guten Zeichners“ von Donald Duck und seiner Sippe, Carl Barks.

Der donaldistische Jahreskongress – ein vernachlässigbares, „lustiges“ Treffen großer Kinder, die nichts Besseres zu tun haben, als sich mit gezeichneten Enten zu befassen? Mitnichten. Die Ergebnisse der Tagung sind brisant zu nennen. Schluck! „Sie erwarten unterhalten zu werden – ich werde Sie schockieren“: Mit diesem Satz eröffnete denn auch Viola Dioszeghy-Krauß ihren Vortrag über die Traumatisierung der Bewohner von Entenhausen. Der Tenor: Das Trauma ist in Entenhausen allgegenwärtig. Augenfällig wird dies etwa bei den Speisegewohnheiten der Familie Duck: Mitunter steht Gänsebraten auf dem Tisch. Dioszeghy-Krauß: „Geflügel isst Geflügel.“ Dass die perpetuierte Traumatisierung schon aus manchem Entenhausener einen Kommunisten gemacht hat – es darf einen kaum noch wundern.

Mit nachdenklich-betroffenem „klatsch, klatsch, klatsch!“ quittierten die Donaldisten im Vortragssaal des Museums Dioszeghy-Krauß’ Bericht. Weitere aufrüttelnde Referate folgten.

PaTrick Bahners, profilierter Donaldist und nebenher (unter dem – eher einfallslosen – Pseudonym Patrick Bahners) Feuilleton-Chef der FAZ, porträtierte einen „Wanderer über dem Nebelmeer“: Professor Püstele, den „Alexander von Humboldt Entenhausens“, den Entdecker viereckiger Eier. Welche Konsequenzen das Wirken Püsteles für die aktuelle Debatte um moderne Landwirtschaft haben kann, ja muss – darüber wird noch zu diskutieren sein.

Die Donaldisten widmen sich nicht nur der Erforschung von Phänomenen, sondern greifen auch aktiv ein. Als eine „alternative, sichere Wertanlage“ stellte Peter Jacobsen in Carlsruhe die Rieselgold-Aktie vor. Das D.O.N.A.L.D.-Tochterunternehmen „rieselgold.com“ basiert auf einer Geschäftsidee Dagobert Ducks zum Aufbau von Kaufhäusern im Weltraum; Fachleute sprechen vom E-to-M-Business (Earth to Mars). Selbst dem donaldistischen Laien wird der Einstieg leicht gemacht – möglich ist das dank der 1:1-Parität zwischen dem Euro und dem Taler. Es bleibt abzuwarten, wie die Neuemission an der Börse einschlägt und den Entenhausener Aktienindex Ducks beeinflusst.

„Die große Stärke der donaldistischen Wissenschaft ist ihre Universalität“, sagt Andreas Platthaus, einer der renommiertesten Donald-Forscher, Träger diverser Ehrenzeichen der Organisation. Trauma-Expertin Viola Dioszeghy-Krauß ergänzt, mit wissenschaftlichen Theorien sei es ähnlich wie mit Zahnbürsten: Jeder benutze am liebsten die eigene. So sind für die Zukunft noch viele harte Auseinandersetzungen zu erwarten. Wen es mehr in den Hafen gesicherter Erkenntnisse treibt, der möge die Ausstellung im Carlsruher Naturkundemuseum besuchen: Detailliertes Wissen über Wüstenkeifzange (Xantippa deserta), Mediterranen Mörderwal (Odontocetus mediterraneus) und andere Barks-Geschöpfe ist anschaulich aufbereitet.

Im Jahr 2002 übrigens – 25 Jahre nach Gründung der D.O.N.A.L.D. – wird der Jahreskongress in Hamburg abgehalten werden, und zwar an der Universität. Die D.O.N.A.L.D. geht damit einen entscheidenden Schritt: nämlich hin zum etablierten Wissenschaftsbetrieb. Klatsch, klatsch, klatsch!

Vielleicht gibt es Gott ja doch.

ANDREAS MILK