Marktchance Europa

Deutsche Firmen expandieren auf den europäischen Markt der erneuerbaren Energien. Spanien bietet für Windkraftanlagen gute Konditionen, doch auch andere Länder haben lukrative Standorte

„Die Länder müssen klar bekennen, dass sie die Windenergie ausbauen wollen.“

Herrscht bei erneuerbaren Energien wie Biomasse oder Geothermie in Deutschland erst Aufbruchstimmung, orientieren sich Planer und Produzenten von Windenergieanlagen mehr und mehr in Richtung Ausland. Denn die ertragreichen Standorte werden knapp – der Offshore-Bereich ausgenommen. „In zwei bis drei Jahren wird das Potenzial in Deutschland erschöpft sein“, meint Hermann-Josef Lohle von der Energieagentur NRW. „Dann kann man höchstens noch die alten Anlagen, die eine durchschnittliche Leistung von 300 bis 500 Kilowatt haben, auf den heutigen Standard von 1,5 Megawatt aufrüsten.“ Die Iberische Halbinsel, Griechenland, die Türkei und Osteuropa hingegen bieten zahllose Standorte und gute Marktbedingungen.

So haben viele deutsche Anlagenbauer und Planer die ausländischen Märkte längst für sich entdeckt. Das Bremer Unternehmen Energiekontor gründete bereits in den 90er-Jahren Tochtergesellschaften in Portugal und Griechenland. Die lange Vorarbeit trägt Früchte: Auf der griechischen Insel Euböa geht diesen Sommer der Windpark „Zarax“ mit fünf Anlagen und einer Leistung von fünf Megawatt (MW) ans Netz. Für eine 6,3-MW-Anlage auf Kreta hat Energiekontor gerade den Zuschlag erhalten. Auch P & T Technology hat sich zunächst darauf konzentriert, geeignete Flächen zu akquirieren und will nun vorwiegend in der Türkei Anlagen installieren. Dort nämlich gibt es ähnlich wie in Deutschland ein umfangreiches Förderprogramm für erneuerbare Energien. Bedingungen, die auch für die Auslandsinvestitionen von Energiekontor entscheidend sind: „Die Länder müssen sich klar dazu bekannt haben, dass sie die Windenergie ausbauen wollen“, sagt Energiekontor-Planer Martin Bretag. „Außerdem sollten die Staaten in Euroland liegen oder zumindest über eine stabile Währung verfügen.“ Man müsse aber damit rechnen, dass es im Ausland rund ein Jahr länger als die bei uns üblichen drei Jahre dauere, um ein Projekt zu realisieren.

Auch die nordrhein-westfälische Firma Umweltkontor drängt ins europäische Ausland. Gerade hat sie einen Vertrag für eine 200 MW Anlage vor der Küste des spanischen Cadiz unterzeichnet. Bis 2005 soll der Offshore-Windpark fertig sein. Im Rahmen von Joint Ventures mit spanischen Partnern will Umweltkontor weitere 100 MW schon bis 2002 in Andalusien und Arágon installieren. „Spanien hat derzeit die größten Zuwachsraten an Windenergieanlagen in ganz Europa“, begründet Susanne Rütten die Investitionen von Umweltkontor. „Dieses Jahr sollen 1.200 MW hinzukommen, im Jahr 2006 sogar 9.512 MW.“ Auch sei der spanische Markt interessant, weil dort die Energieversorger sehr aktiv im Bereich der erneuerbaren Energien seien und es keine ideologiebefrachtete Diskussion um das Thema gäbe wie in Deutschland. „Man hat erkannt, dass das heimische Energiepotenziale sind, die genutzt werden sollten.“ Mit anderen Anbietern komme man sich bisher nicht in die Quere, denn unerschlossene Gebiete gebe es noch mehr als genug.

Neben Spanien gehören noch Griechenland, Frankreich und Italien zu den primären Zielgebieten von Umweltkontor. Denn dort gibt es ähnlich wie in Deutschland feste Einspeisevergütungen für Ökostrom. Doch auch in die Türkei, nach Kroatien und Großbritannien will man expandieren. Zunächst allerdings nur im Bereich der Windkraft. „Irgendwann wollen wir auch Anlagen für Biomasse, Wasserkraft und Sonnenstrom im Ausland installieren“, sagt Susanne Rütten. Das außereuropäische Ausland allerdings komme derzeit kaum in Frage, dort seien die Bedingungen wesentlich ungünstiger und somit das Risiko zu groß.

Ein weiterer innereuropäischer Markt für die erneuerbaren Energien ist Osteuropa. Parallel zur Energiemesse EnerTec diskutierten Mitte März in Leipzig Experten über das Potenzial. Markus Reichel ist mit seiner Dresdner Firma EconTrade vor allem in Polen aktiv. „Im Zuge der geplanten EU-Osterweiterung bekommen wir viele Anfragen“, sagt Reichel. Zu hohe Erwartungen auf einen schnellen Gewinn allerdings bremst er: „Momentan ist jeder der Auffassung, dass sich der deutsche Boom der erneuerbaren Energien überall realisieren ließe. Das aber geben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch nicht her.“

Ebenfalls auf Spanien legt die Energieagentur NRW den Schwerpunkt ihrer Auslandsarbeit. Sie hat den dortigen Energiemarkt untersucht und die wichtigsten Partner in den 17 autonomen Regionen sowie mögliche Projektansätze ermittelt. Auf dieser Grundlage sollen das Know-how nordrhein-westfälischer Energietechnologie-Firmen und spanischer Anwender zusammengebracht und gemeinsame Projekte initiiert werden. Geplant sind auch Joint Ventures von spanischen und deutschen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen bei Forschung und Anwendung von Energieeffizienztechnologien und erneuerbaren Energien.

Anfang März lud die Energieagentur im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums acht Unternehmen, darunter Umweltkontor, auf Spaniens wichtigste Energiemesse nach Madrid ein, um ihnen so Kontakte zum lukrativen spanischen Markt zu ermöglichen. In Andalusien sind Kooperationen im Sektor Biomasse bereits in vollem Gange. Demnächst sollen dort die Reststoffe aus der Olivenölproduktion energetisch verwertet werden. Das höchste Potenzial für Biomasse bieten die Balearen. „Die Touristen produzieren jährlich 8,5 Millionen Tonnen Abfall und Abwässer, die nutzbar sind“, berichtet Hermann-Josef Lohle.

Und neben Biomasse, hohen Windstärken und viel Sonne habe Spanien noch einen weiteren wichtigen Vorteil: „Die spanischen Energieversorger verfügen über sehr gute Kontakte nach Südamerika und sind dort an vielen Versorgungsunternehmen beteiligt.“ KATRIN EVERS