Im Namen des Volkes

Wenn zwei sich streiten, freuen sich die Gerichte. Ein Richter kann in einem ähnlich gelagerten Streit, aber bei anderen Beteiligten, zu einem anderen Ergebnis kommen als in einem anderen Fall zuvor. Die Zuständigkeit und Instanzen

Wer dem ungeliebten Nachbarn oder einem anderen Gegner böse zuruft „Wir sehen uns vor Gericht“, weiß oft noch nicht, welches Gericht das sein wird. Bei zivilrechtlichen Verfahren, etwa um Verkehrsunfälle oder Verträge, orientiert sich die Zuständigkeit der Gerichte am Streitwert. Bis zu einer Höhe von 10.000 Mark wird vorm Amtsgericht (AG) verhandelt, ein höherer Streitwert vorm Landgericht (LG). Allerdings gibt es so genannte streitwertunabhängige Regelungen für Wohnungs- und Mietsachen, die immer vorm Amtsgericht verhandelt werden.

Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte richtet sich im Grundsatz nach dem Wohnsitz des Beklagten. Wo der wohnt, findet die Verhandlung statt. Ausnahmen bilden ausschließliche und besondere Gerichtsstände. Ausschließlich sind zum Beispiel Mietsachen. Am Ort der Mietsache wird auch um die Mietsache gestritten. Das geschieht zum Schutz der Mieter, denen nicht zuzumuten ist, an einen anderen Verhandlungsort zu fahren, nur weil der Vermieter dort lebt.

Besondere Gerichtsstände sind beispielsweise gegeben bei rechtswidrigen Verletzungen von Eigentum, Körper und Gesundheit. So werden Verkehrsunfälle nicht am Wohnort des Klägers, sondern dort, wo der Unfall passierte, verhandelt. Allerdings kann der Kläger sich aussuchen, ob er lieber am Unfallort oder am Wohnort des Beklagten prozessieren möchte, was dann vorteilhaft sein kann, wenn er in der Nähe wohnt.

Möglich ist ferner eine Gerichtsstandsvereinbarung, sinnvoll etwa bei Geschäftsleuten, die, bevor es zu einem Rechtsstreit kommt, bestimmen können, welches Gericht im Streitfall zuständig sein soll. Privatpersonen können nur nach dem Entstehen von Streitigkeiten den Gerichtsort festlegen. Allerdings darf kein ausschließlicher Gerichtsstand – wie bei Mietsachen – gegeben sein. Streiten sich Nachbarn um den Verlauf der Grundstücksgrenze, ist das örtliche Gericht zuständig.

Am Ende eines Prozesses verkündet der Richter ein Urteil, das allerdings nur zwischen den streitenden Parteien gilt. Anders als Gesetze, die jeden immer und überall binden, sind Urteile nur für die unmittelbar beteiligten Streitparteien bindend. Sogar ein und derselbe Richter kann in einem gleich gelagerten Fall anders entscheiden, wenn es neue Streitparteien gibt. So verwundert es nicht, dass das Amtsgericht Pforzheim in einem Fall entschied, dass vor den Fenstern der Wohnung nistende Tauben den Gebrauchswert einer Mietwohnung erheblich mindern, während man in Berlin anderer Meinung war: Es sei hinzunehmen, „dass sich Tauben in Altbauten der Großstädte aufhalten und gelegentlich auch dort nisten“, meinten die Richter (LG Berlin, Az. 63 S 6/00).

Man kann sich in einem Rechtsstreit also nicht auf ein bereits in einem ähnlich gelagerten Fall erlassenes Urteil verlassen und vom Richter dieselbe Entscheidung erwarten, denn Urteile sind oft richterliches Ermessen. Andererseits muss man sich nicht mit einem Urteil abfinden. Wer nach eingehender Beratung durch einen Anwalt meint, den Richterspruch so nicht hinnehmen zu können, hat die Möglichkeit, Berufung einzulegen.

Die Berufung ist das Rechtsmittel gegen ein Urteil, das in erster Instanz gefällt wurde. Das Berufungsgericht ist dabei die nächsthöhere Instanz. Wird also zunächst vor dem Amtsgericht verhandelt, dann ist ein Landgericht die Berufungsinstanz. Gegen das erstinstanzliche Urteil eines Landgerichtes kann vor dem Oberlandesgericht (OLG, in Berlin: Kammergericht, KG) in Berufung gegangen werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Mindeststreit- oder Beschwerdewert 1.500 Mark beträgt. Das ist etwa dann der Fall, wenn in der ersten Instanz ein Streitwert von 10.000 Mark eingeklagt wird, der Kläger jedoch nur 8.500 Mark zugesprochen bekommt. Die Differenz von 1.500 Mark ist der zur Berufung erforderliche Mindeststreitwert. Danach ist in dritter Instanz noch eine Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) möglich. Wer mit dem Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht einverstanden ist, hat Pech gehabt. Ausnahmen bilden Kindschafts- und Familiensachen wie Sorgerechts- oder Unterhaltsentscheidungen und Ehescheidungen, die zunächst vorm Amtsgericht verhandelt werden. In solchen Fällen ist eine Revision auch in dritter Instanz – dann vorm OLG oder KG – möglich.

Die Berufung ist eine so genannte Tatsacheninstanz, das heißt, ein ganz neues Verfahren wird eröffnet, auch Beweise werden erneut erhoben. Bei der Revision eines Urteils finden keine Beweiserhebungen mehr statt – wozu übrigens auch Zeugenbefragungen gehören. Geprüft wird nur noch, ob das Berufungsgericht die jeweilige Rechtslage richtig gesehen hat.

Mit dem Urteil erlässt das Gericht immer auch eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits. Dazu gehören neben den Gerichtskosten auch die Kosten für beteiligte Anwälte. Die Höhe dieser Kosten orientiert sich am Streitwert des Prozesses. Unter Umständen kommen noch Gutachterkosten und Aufwendungen für das Beweisverfahren, etwa für die Zeugenbefragung dazu. Dabei gilt im Allgemeinen der Grundsatz: Der Verlierer zahlt alles. Häufig werden jedoch auch Quoten vom Gericht festgesetzt. Hat ein Kläger 10.000 Mark eingeklagt und bekommt schließlich 5.000 Mark zugesprochen, zahlen Kläger und Beklagter jeweils 50 Prozent der Prozesskosten. Doch so oder so kann es teuer werden. Was nahe legt, dass man nur dann in Berufung geht, wenn man sich seiner Sache sicher ist und berechtigte Aussicht auf Erfolg hat.

Bietet ein angestrebtes Gerichtsverfahren Aussicht auf Erfolg, kann der Kläger auch Prozesskostenhilfe beim Gericht beantragen. Voraussetzung ist neben der Erfolgsaussicht, dass ein Kläger den Prozess nachweislich nicht selbst finanzieren kann.

Eine andere Variante zur Finanzierung gerichtlich ausgetragener Streitigkeiten sind Rechtsschutzversicherungen. Wer aber glaubt, dank der abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung ohne Risiko drauflosklagen zu können, sollte den Vertrag mit dem Versicherer vor Abschluss aufmerksam durchlesen. Generell nicht versichert sind Verwaltungsrechtssachen, zu denen angefochtene Bafög-Entscheidungen, Einberufungsbescheide oder bestimmte Bausachen – wie Abrissentscheide – zählen. Familiensachen – von Erbschaftsangelegenheiten bis Sorgerechtsklagen – sind typischerweise ausgeschlossen, wenn man keine Extra-Familienrechtsschutzversicherung abgeschlossen hat. Bezahlt wird von vielen Rechtsschutzversicherungen lediglich eine Erstberatung beim Anwalt, die letztlich jedoch den geringsten Anteil an der Kostenbelastung eines Rechtsstreits ausmacht. Allenfalls kann man hier erfahren, ob es überhaupt Aussicht auf Erfolg der erwogenen Klage gibt. Auch für Verkehrssachen ist oft eine separate kostenpflichtige Police abzuschließen.

Greifen weder Rechtsschutzversicherung noch Prozesskostenhilfe, gibt es noch die Möglichkeit, den Prozess von einem der darauf spezialisierten Unternehmen finanzieren zu lassen. In der Regel sind diese Unternehmen im Erfolgsfall beteiligt. Verliert man den Prozess, zahlt man nichts. Ein relativ hoher Streitwert wird hier allerdings ebenso vorausgesetzt wie gute Erfolgsaussichten. Geht es also lediglich um die Kirschen aus Nachbars Garten, einigt man sich besser gütlich – und zwar außergerichtlich. KATHARINA JABRANE

Prozesskostenfinanzierung: z. B. Foris AG, 14129 Berlin, Matterhornstraße 44, Tel. (0 30) 80 48 64 - 0, Fax -24