IG Metall strikes back

■ Die Metall-Gewerkschaft will sich durch ein maßge-chneidertes IT-Projekt einen Platz in der Branche schaffen

Betriebsräte in IT-Firmen sind selten, Arbeitnehmerrechte unklar formuliert. Es gibt kaum feste Tarife, geschweige denn Arbeitszeiten. Für Gewerkschaften ist offensichtlich kein Platz in den Strukturen und Philosophien der IT-Unternehmen. Organisiert sind jedenfalls die Wenigsten. Auf diese „Marktlücke“ zielt das Bremer Projekt „IG Metall in sight“.

Dafür setzen die Gewerkschafter auf persönliche Ansprache. Ehrenamtliche bauen eine Art Schneeballsystem auf: Einer spricht den anderen an. In den EDV-Abteilungen klassischer Firmen gibt es kaum Probleme. Agenturen, Call Center und Start-Ups sind dagegen gewerkschaftlich fast unberührt. Gerade in Bremen, das sich als „Innovationszentrum des bundesdeutschen IT-Bereichs herausbilde“, besteht in den Augen der IG Metaller Handlungsbedarf. Zwar fielen bereits 20 Prozent der Beschäftigten unter Tarifverträge, doch zu wenige der geschätzten „mehreren tausend“ Beschäftigten hätten ein ausgeprägtes Bewusstsein für arbeitsrechtliche Fragen. Hier will sich die IGM „in Sicht“ rücken. Denn die Probleme der IT-ler seien die gleichen wie in „anderen Metallbetrieben“ auch. Der Gewerkschaftssekretär Peter Stutz weiß, „dass die Menschen ein wenig mehr Anglizismen verwenden, aber so anders arbeiten sie nicht“. Er selbst betreut 20 IT-Firmen. Doch in weit über 100, vielleicht auch 200, hätte die Belegschaft keine gewerkschaftlichen Kontakte.

Überreden wollen die alten Hasen niemanden. Die Informationstechnologen erhalten zunächst „kompetente Hilfe und Unterstützung“, damit sie ihre „Interessen gezielt und wirkungsvoll selbst wahrnehmen“ können. Denn Kollektivregelungen greifen in diesem Bereich erfahrungsgemäß nicht. Die Beratung müsse sich den speziellen Bedingungen anpassen – auf die Bedürfnisse des Einzelnen komme es an. Auf Beitritte hofft die IGM natürlich trotzdem. Mit einem sofortigen Erfolg rechnen die Macher nicht: „Wir müssen einen langen Atem haben.“

Um überhaupt die Aufmerksamkeit der Computerfreaks zu erlangen, musste wohl das blau umrandete Pentium-Logo (“intel inside“) geklaut und für die eigenen Zwecke umfunktioniert werden. Eben weg vom alten Image: Mit dem „Schwenken roter Fahnen“ könne man „keinen Blumentopf mehr gewinnen“, meint Hans-Jürgen Marcioch, ehemals Software-Entwickler bei IBM und Betriebsratsvorsitzender.

Bis vor kurzem war fraglich, ob die passionierten Einzelkämpfer diese Hilfe überhaupt wollen. Bekannt für die Glorifizierung ihrer Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit und Individualität machten die Götter am Rechner nicht den Eindruck, als bräuchten sie einen „ständigen und kompetenten Partner an ihrer Seite“. Durch den Einbruch der Technologie-Werte am Neuen Markt hat sich ihre Situation verändert. In Planung war das Projekt schon vor dem Börsencrash, doch in der Branchenkrise sehen die Gewerkschafter eine zusätzliche Chance – auch gegen den eigenen Mitgliederschwund.

Der Konkurrenz zu anderen Gewerkschaften steht Stutz aber gelassen gegenüber. Abwerben will er niemanden. Innerhalb des DGB gilt die Grundsatzvereinbarung, dass ver.di für die Telekommunikation zuständig ist und die IG Metall für den IT-Bereich. „Wenn ich jemanden treffe, der Mitglied bei ver.di ist, freu ich mich, dass er überhaupt organisiert ist.“ db