Paraguays Bauern mucken auf

Die Kleinbauern gehen schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen auf die Straße. Der bedrängte Präsident González Macchi macht wieder neue Versprechungen

SÃO PAULO taz ■ An die 20.000 Kleinbauern und Mitglieder anderer sozialer Bewegungen haben am Montag in verschiedenen Provinzen Paraguays für eine Landreform und finanzielle Hilfen von der Regierung demonstriert. Nach der friedlichen Kundgebung in der Hauptstadt Asunción empfing Präsident Luis González Macchi eine Delegation der Protestierenden.

Kurz vor Mitternacht unterzeichneten beide Seiten einen 13-Punkte-Plan, der die wichtigsten Anliegen der DemonstrantInnen aufgreift. Damit verschaffte sich die Regierung zuerst einmal Luft, denn Bauernsprecher José Bobadilla vom Dachverband „Koordinationstisch bäuerlicher Organisationen“ (MCNOC) hatte gedroht, den Präsidentenpalast auf unbestimmte Zeit zu belagern.

Die Regierung will innerhalb von einer Woche 6,4 Million US-Dollar freigeben, die sie schon früher zugesagt hatte. Mit der Auszahlung dieser und anderer Mittel wie etwa für ein Programm zur Ernährungssicherung oder für zinsgünstige Kredite sei noch am ehesten zu rechnen, sagte der Agraringenieur Sixto Pereira von der Nichtregierungsorganisation „Ausbildungszentrum für die Agrarentwicklung“ (CCDA) zur taz.

„Doch eigentlich bräuchten wir ein Entwicklungskonzept für die Landwirtschaft, und damit ist unter dieser Regierung nicht mehr zu rechnen“, so Pereira. Auch bei den Beratungen über ein neues Agrarstatut erwartet er keinen schnellen Durchbruch. González Macchi gilt als schwacher Präsident, der sich glücklich schätzen kann, wenn er das Ende seiner Amtszeit im Jahr 2003 erreicht.

Tagelange Regenfälle hatten den Demonstranten aus abgelegeneren Gegenden die Reise in die Hauptstadt erschwert. Doch nach wie vor bilden die Bauern das Rückgrat des sozialen Widerstands in Paraguay. Dagegen nahmen deutlich weniger StudentInnen und ArbeiterInnen aus Asunción am Marsch teil als an vergleichbaren Aktionen in vergangenen Jahren. Gerade in der Hauptstadt machten sich „Verzweiflung und Resignation“ breit, stellte die Aktivistin Rosa Martínez fest, die in der Provinz Itapúa eine Landwirtschaftsschule für jugendliche Kleinbauern leitet. „Wir haben gelernt, dass die Versprechungen der Regierung nicht viel wert sind“, sagte sie. „Außerdem macht sie sich die Zersplitterung der Bauernbewegung zunutze.“

Vor zwei Wochen hatten sich 20.000 Bauern an der landesweiten Demonstration des Nationalen Bauernverbands (FNC) beteiligt und eine Industrialisierung des Baumwollsektors gefordert. Dagegen sehen die meisten Teilorganisationen der MCNOC angesichts niedriger Weltmarktpreise und ausgelaugter Böden keine Zukunft mehr in der Baumwolle. „Wir setzen vor allem auf den Ausbau von agroforstwirtschaftlichen Systemen“, sagt Rosa Martínez. „Nur so können wir die Selbstversorgung gewährleisten und den Raubbau an der Natur stoppen.“

Zudem sei eine Landreform dringend notwendig. In dem Staat mit fünf Millionen Einwohnerbesitzen ein Prozent aller Grundbesitzer 77 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die hauptsächlich für Viehzucht oder den Anbau von Soja, Baumwolle oder Weizen genutzt werden. Dagegen gibt es nach Schätzungen der katholischen Kirche 30.000 Familien von Landlosen – knapp vier Prozent der Gesamtbevölkerung.

Doch ohne internationalen Druck werde es wohl keine Agrarreform geben, meint Sixto Pereira. Allerdings: „So berechtigt die Forderung der Bauern nach dem Erlass der Auslandsschulden ist – das ist wohl noch unwahrscheinlicher, als dass die Regierung ihre Zusagen einhält.“

GERHARD DILGER