Zu Trittin verdammt

Realos und Linke kritisieren im Parteirat der Grünen den Umweltminister. Sein nächster Fehler sei sein letzter – heißt es. Zum Sündenbock für die Niederlage wird er nicht gemacht

von SEVERIN WEILAND

Irgendwie muss die Stimmung bei den Bündnisgrünen doch gut sein. Renate Künast und Rezzo Schlauch, die eine Ministerin, der andere Fraktionschef im Bundestag, schmeißen Schneebälle vom Balkon der Parteizentrale. Zwei, die wissen, welche Bilder an diesem Tag die Fernsehanstalten vielleicht auch senden werden.

Vielleicht. Denn das Spiel der guten Laune, das die beiden da im schneebedeckten Berlin veranstalten, kann nur mühsam überdecken, dass anderen die Laune gründlich vergangen ist. Jürgen Trittin eilt nach der Parteiratssitzung durch den Vordereingang nach draußen. Ihm ist wohl nicht danach, mit Schneebällen zu werfen. Er sieht eher so aus wie jemand, der eine Schneeballschlacht gerade hinter sich gebracht hat. Ob er noch Umweltminister sei, will ein Reporter wissen? Trittin hält einen Moment inne. „Sieht so aus“, sagt der Umweltminister und steigt mit seiner Büroleiterin in den schwarzen Dienstwagen.

Auch bei anderen ist die Laune an diesem Montag nach den Landtagswahlen in Baden-Wüttemberg und Rheinland-Pfalz auf dem Tiefpunkt. Fritz Kuhn steht neben Claudia Roth und sieht wie sie blass und müde aus, als sie sich der Presse stellen.

Trittin bleibe Minister, betont Kuhn, und fügt dann schnell hinterher, dass man im Parteirat auch darüber gesprochen habe, dass „wir genau von der Situation, wie sie sich in den letzten Wochen abgespielt hat, verschont bleiben wollen“. Da ist er, der Angriff auf Trittin, der mit seinem Satz, der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer habe nicht nur die Mentalität, sondern auch das Aussehen eines Skinheads, die Grünen und sich selbst zu Entschuldigungen genötigt hat.

Auf der Parteiratssitzung, erzählen Teilnehmer, sei sehr offen miteinander geredet worden. Das Wort Rücktritt habe jedoch niemand benutzt. Trittin selbst analysierte die Wahl, entschuldigte sich nochmals für den Fehler, wies aber auch darauf hin, dass er sinngemäß seine Kritik über Meyers Satz, er sei stolz ein Deutscher zu sein, im Wahlkampf mehrmals geäußert habe. Das habe damals niemand aufgeregt.

Joschka Fischer, der Gegenspieler von Trittin, ergriff ebenfalls das Wort. Er habe in seiner typischen Art eine „fulminante Kritik“ hingelegt, erzählt ein Teilnehmer, aber auch klargestellt, dass Trittins Äußerung und die darauf folgende CDU-Kampagne nicht der einzige Grund für die Niederlage gewesen seien. Auch die Landesverbände mussten sich Kritik von Fischer gefallen lassen – so sei in Baden-Württemberg unzureichend über die Bildungspolitik gesprochen worden.

Und zur Niederlage in Rheinland-Pfalz nahm sich Fischer des äußeren Erscheinungsbilds der Spitzenkandidatin Ise Thomas an: Ob diese angesichts der starken Medienpräsenz ausgerechnet mit einer schwarzen Lederjacke hätte auftreten müssen? Zu den Aufgaben eines Bundesvorstandes gehöre es, Spitzenkandidaten auch in dieser Hinsicht zu beraten, meinte Fischer, was Teilnehmer als Rüffel gegen Kuhn, Roth und den Bundesgeschäftsführer Bütikofer werteten.

Dass die Grünen die Niederlage ahnten und so manche Trittin schon vorab als Sündenbock auserkoren hatten, war bereits vor dem Wochenende deutlich geworden. Führende Realos, wie es sich in solchen Fällen des Machtkampfes anbietet, ließen anonym über die Medien den baldigen Sturz des Umweltministers streuen. Dagegen versuchte die Linke, den Unmut auch in ihren Reihen zu dämpfen. Fritjof Schmidt, der Landeschef aus NRW, appellierte an die Parteiratsmitglieder seines Landes, Trittin jetzt nicht fallen zu lassen. „Heute tritt Herr Trittin nicht zurück“, sagt denn auch die Umweltministerin Bärbel Höhn am Montagmorgen in Berlin. Eine vielleicht nur unbedachte Äußerung. Aber eine, die die Seelenlage der Linken offenlegt.

Dass die Parteilinken, auf die sich Trittin so lange hat stützen können, mit ihm hadern, ist auch am Montag außerhalb des Parteirates nicht zu überhören. Vorgehalten wird Trittin vor allem in diesen Tagen, da sich die Grünen im Wendland dem wütenden Fragen der Protestierer stellen müssen, jener Brief an die Grünen in Lüchow-Dannenberg, in denen er im Zusammenhang von Castor-Transporten das Wort „Latschdemos“ benutzte. Das habe ihm in diesen Kreisen noch mehr Kredit gekostet als seine Ausrutscher zu Laurenz Meyer, heißt es.

Dass Trittin sich keinen Fehler mehr erlauben darf, darüber sind sich Linke und Realos einig. Diesmal.