Öl ins Feuer der Theaterdebatte?

■ Jan Lauwers und die Need Company inszenieren „Der Sturm“ am Schauspielhaus

Am Anfang spielt Prospero Schlagzeug. Alexander Simon betätigt sich neben seinem Part als rechtmäßiger Herzog von Mailand auch als Musiker, der sich an dem Stück „Four“ des Avantgarde-Komponis-ten John Cage beteiligt. Über eine halbe Stunde lang geht diese Musik für jeden, der seinen Geist öffnen will. Doch wie lautstarke Beschimpfungen durch einen Teil des Publikums bekundeten, wollten sich nicht alle auf William Shakespeares Sturm derart einstimmen lassen.

Kurz darauf überstürzen sich in dem von Regisseur Jan Lauwers als „sehr dunkel“ aufgefassten Stück die Ereignisse. Die DarstellerInnen warten atemlos am Bühnenrand. Bis Caliban mit der flachen Hand auf ein eingeschaltetes Mikrophon schlägt, worauf die Wartenden auf die Bühne stürmen, um dort zu tanzen. Für die Mitglieder der Need Company heißt das, alles in Bewegung zu setzen, hysterisch und sensibel zu werden, sich launisch und intelligent zu benehmen und dabei gut trainiert mit sich selbst um sich zu werfen. Getanzt wird auf der Insel, auf der Prospero wie ein wütender Machiavelist die nach einem Schiffbruch Gestrandeten anherrscht. E-Gitarren werden aufgedreht und liegen gelassen, bis sich Rückkopplungen einstellen und sich brummende und schrille Töne wie bedrohliche Meereswogen auf der Bühne brechen.

In dieser Fassung vom Sturm steckt Kraft und eine große Vision von Trauer. Auffällig wird die Inszenierung noch durch etwas anderes: Die Geschichten von Prospero, von Alonso, dem König von Neapel, von dessen Sohn Ferdinand und seiner Begegnung mit Prosperos Tochter Miranda, wie sie Lauwers erzählt, ergeben eine der zornigsten Interpretationen des Stoffes.

Prospero lässt für diesen Dreh die auf seiner Insel Angekommenen nicht einfach in den Wahnsinn stürzen, sondern statt dessen durchspielen, wie es sein kann, wenn sich jemand ganz schnell sehr umfassend seiner Lage bewusst wird, wie es ist, wenn der mehr oder weniger gesunde Menschenverstand sich praktisch selbst entdeckt. Im Ausgang des Stücks wird das besonders deutlich.

Für Jan Lauwers war das Ende „eine Lüge“. Deshalb hat er es umgebaut. Propero zieht sich eine Maske über, und steht als alter Mann da. Es ist die große schauspielerische Leistung von Alexander Simon, darauf einen Prospero darzustellen, der praktisch von Minute zu Minute altert, dessen Worte ihn so fliehen wie sein eigenes Leben, und der spricht, als wollte er damit ein Absinken in die Unterwelt vehindern. Jan Lauwers hat ein gefährliches Stück inszeniert.

Kristof Schreuf

weitere Vorstellungen: morgen, Mo, 2.4. + Di, 3.4., 20 Uhr, Deutsches Schauspielhaus