Die Rache der „Bild“ an der Bbiilldd

Eine österreichische „Bild“-Zeitung-Parodie im Internet treibt den Springer-Verlag bis zur Weißglut und vors Gericht. Aber die Satiriker machen weiter und stellen täglich eine Mischung aus den „‚Bild‘-Hauptzutaten Sex, Sport und Seuchen“ ins Netz

von FIETE STEGERS

Der Axel-Springer-Verlag macht Schluss mit dem Schmuddeljournalismus. Schlagzeilen wie „Strom-Slip verhindert Samenraub“ soll es nicht mehr geben. Per einstweilige Verfügung stoppten die Springer-Anwälte deshalb eine Bild-Parodie im Internet, die die Sperma-Story „enthüllt“ hatte.

Inzwischen ist bildtotal.de trotz Springer-Klage mit verändertem Namen aber schon wieder online – und will es bleiben. Hinter bildtotal.de steckte die Wiener Internetfirma Ican. Geschäftsführer Nikolaus Formanek: „Wir wollen damit unsere Kreativität unter Beweis stellen.“ Gut zwei Wochen lang zog bildtotal.de täglich vom Leder: Im Layout des Originals und mit den Hauptzutaten Sport, Sex und Seuchen. Nur das Bild-Rot fehlte: „Unsere Welt ist schwarz-weiß“ war ihr Motto.

Bild sichtete Jürgen Trittin mit Bolzenschneider? bildtotal.de ließ Joschka Fischer per Fotomontage in einem Panzer gleich ganz Wuppertal plattmachen. „Massenschlachtung!“ in der Bild: Statt wahnsinnigen Rindern mussten bei den Satirikern tausende deutscher Luxus-Karossen dran glauben, weil die im Ausland billiger zu haben seien: „Es ist nicht einzusehen, dass ein Bürger aus Bad Kreuznach für einen BMW mehr Geld auf den Tisch legen muss als ein Bademeister in Jesolo.“ Wer an BSE schuld ist, war für die Macher klar: Döner-Terroristen aus dem Nahen Osten.

Politisch kratzte bildtotal.de trotz des Brachial-Humors allerdings nur an der Oberfläche – im Gegensatz zur „Financial Crimes“, die eine Londoner Gruppe im vergangenen Herbst ins Netz stellte, bis das parodierte Wirtschaftsblatt Financial Times vor Gericht zog.

Im Hamburger Springer-Verlag fand der österreichische Humor jedenfalls nur wenig Anklang. Pressesprecher Tobias Fröhlich: „Das ist eine klare Verletzung unseres Logos.“ Nach der einstweiligen Verfügung hieß es darum: Aus für bildtotal. Allerdings nur so lange, bis Ican sich einen deutschen Anwalt besorgt hatte und mit leicht verändertem Logo wieder online ging.

Unter www.bbiilldd.de macht jetzt „x-total“ weiter und deckte gleich – inspiriert durch die Springer-Klage? – auf, dass Verona Feldbusch eine italienische Stadt vor den Kadi zerren will: „Seit Jahrtausenden machen die Kohle mit meinem Namen!“

Gerichtsverfahren können die Ican-Satiriker nicht schrecken: Ihre vor einem Jahr gestartete Parodie der Wiener Neue Kronen-Zeitung bescherte ihnen gleich acht Klagen des Originals. Sechs sind inzwischen mit Vergleichen beigelegt, zwei laufen noch. Die Netz-Adresse diekrone.at musste Ican an das Original abgeben – und machte mit der Schlagzeile „Von Chinesen gekauft“ unter dieklone.at weiter.

Auch für Deutschland hat Ican-Chef Formanek noch ein paar Ausweich-Domains im Ärmel. Dabei hatte er nach dem Start von bildtotal.de am 23. Februar zuversichtlich verkündet, Bild werde auf die Satire sicher gelassen reagieren. „Jetzt bin ich verblüfft“, gibt Formanek zu. „Ich weiß nicht, was sich der Springer-Verlag von dem Verfahren verspricht.“ Dass Springer vor Gericht Erfolg hat, glaubt er aber nicht. „Es ist schon interessant, dass diejenigen, die sonst groß nach Meinungsfreiheit schreien, bei so etwas so schnell sind“, stilisiert sich der ehemalige Bertelsmann-Angestellte Formanek zum Humor-Guevara. „Aber sie verstehen nicht, dass das Internet nicht zu kontrollieren ist wie ihre Druckereien und Rundfunksender. Das ist die Revolution.“

„Schmuddeljournalismus gestoppt!“, jubelt dagegen dieklone.at. Die Krone-Parodie scheint auf die Seite des Gegners gewechselt zu sein: Gnädig habe Springer den Streitwert auf lächerliche 500.000 DM angesetzt. Schließlich ginge es dem Verlag nicht darum, jemanden mundtot zu machen, sondern eine faire Diskussion um Meinungsfreiheit führen zu können.