Ein rotes Tuch reizt den Staatsanwalt

Entscheidung in dritter Instanz: Ein rotes Halstuch ist keine Uniform. Kammergericht spricht Demonstranten frei

Wenn ein Demonstrant ein rotes Halstuch trägt, ist das kein Verstoß gegen das Uniformverbot. Das stellte das Kammergericht gestern in einem Urteil fest. Anlass war ein Verfahren gegen einen 31-Jährigen, der auf einer Demonstration ein solches Tuch getragen hatte. Das Gericht sprach ihm vom Vorwurf, gegen das Verbot verstoßen zu haben, frei.

Orhan Celebi hatte am 11. Januar 1998 an der jährlichen Gedenkdemonstration für die ermordeten kommunistischen Arbeiterführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg teilgenommen. Dabei, so Verteidiger Sven Lindemann, sei sein Mandant im Block der türkischen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) mitgelaufen, der eine großes Transparent mit Parteiabzeichen mitführte. Einige Personen aus dem Block seien dann von der Polizei festgenommen und das Transparent sei beschlagnahmt worden. Die Beamten hätten irrtümlich angenommen, es handele sich um ein Transparent der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Obwohl sich dieser Vorwurf nicht als haltbar erwies, wurde Celebi angeklagt. Denn sein rote Halstuch, so die Auffassung der Staatsanwaltschaft, verstoße gegen das Versammlungsgesetz, das das Tragen von Uniformteilen als „Ausdruck einer politischen Gesinnung“ untersagt.

Dieser Vorwurf wurde gestern in dritter Instanz vom Kammergericht entkräftet. Zuvor war Celebi vom Landgericht zu 50 Tagessätzen verurteilt worden. Das Amtsgericht hatte ihn im Juli 2000 freigesprochen. Dagegen legte wiederum die Staatsanwaltschaft Berufung ein. So kam es zum gestrigen Verfahren vor dem höchsten Strafgericht des Landes. In seinem Urteil begründete der Vorsitzende Richter Dietrich den Freispruch mit dem „hohen Gut der Versammlungsfreiheit“. Außerdem könne man ein Halstuch im Sinne des Gesetzes nicht als Uniformteil bezeichnen. DANIEL FERSCH