Mörderisches Milieu

Sieben junge Frauen verschwinden in den Siebzigerjahren im französischen Departement Yonne, das seitdem von Affären um sexuellen Missbrauch bis in höchste Kreise hinein geschüttelt ist. Der Mörder ist bekannt. Doch nichts geschieht. Eine Reportage aus einem Land, in dem Mord nach zehn Jahren verjährt

von DOROTHEA HAHN

„Das betrifft uns nicht“, lässt der Bürgermeister von Auxerre, Jean Garnault, seine Sekretärin ausrichten, er sei schließlich erst drei Jahre im Amt. „Davon hat uns nie jemand etwas gesagt“, lässt sein Amtsvorgänger Jean-Pierre Soisson, der die Provinzstadt 27 Jahre lang regierte und vor drei Jahren zum Präsidenten der gesamten Bourgogne aufstieg, wissen. „Ich habe wichtigere Themen“, wimmelt Georges Decuyper, Präsident der Behindertenvereinigung APAJH, Journalisten ab: „Da ist die Tür.“

Über die sieben Verschwundenen will kein Würdenträger in Auxerre sprechen. Sie schweigen. Als hätte es die jungen Frauen zwischen fünfzehn und achtundzwanzig Jahren nie gegeben. Als wären sie nicht in den Sonderschulen der „Vereinigung für junge und erwachsene Behinderte“ (APAJH) gewesen. Als hätten die Stadt und das Departement keine Verantwortung für die über siebenhundert geistig Behinderten in ihren Einrichtungen.

Christine, Jacqueline, Chantal, Madeleine, Bernadette, Françoise und Martine sind eine nach der anderen zwischen 1977 und 1979 in Auxerre spurlos verschwunden. Alle waren geistig leicht behindert. Alle kamen aus sozial schwachen Verhältnissen. Alle aus kaputten Familien. Alle waren auf richterlichen Beschluss von ihren Eltern und Geschwistern getrennt, in fremden Familien und in Sonderschulen der APAJH untergebracht worden. Alle waren Pflegekinder. Ihre Akten enden mit dem Eintrag: „fugue“ – Flucht. Dabei blieb es. Zwei Jahrzehnte lang.

In diesem Winter sind Gendarmen mit schwerem Gerät vom Dörfchen Rouvray aus über die römische Brücke auf dem Feldweg bis zu einer Biegung des Serein gefahren. In der lehmigen Erde am Flussufer haben sie zwei Skelette gefunden. Eines mit einem eng um den Hals geschnürten Tuch. Nicht weit davon gruben sie Kleiderreste aus. Die Knöpfe und die Stoffreste haben Angehörige der Verschwundenen identifiziert. Die Knochen wurden in ein gerichtsmedizinisches Institut bei Paris gebracht. Noch haben sie nicht gesprochen.

Den Weg zu dem fünfzehn Kilometer nordöstlich von Auxerre gelegenen Fluss hatte Emile Louis gewiesen. Der pensionierte Busfahrer der „Rapides de Bourgogne“, der in den Siebzigerjahren Behindertentransporte für die APAJH fuhr, ist am Rand des Dörfchens Rouvray als Pflegekind aufgewachsen. Mit achtzehn zündete er das Haus seiner Pflegefamilie an. Später kam er zum Angeln und Jagen zurück.

Louis war mit allen Verschwundenen bekannt. Er fuhr sie zur Schule und nach Hause. Jacqueline war bei seiner Geliebten untergebracht. Mit Françoise hatte er Mitte der Siebzigerjahre ein Verhältnis. Martine versprach er, dass er sie zu ihrer leiblichen Mutter bringen werde. Er war jedes Mal der Letzte, der mit den jungen Frauen gesehen wurde.

Der heute 67-Jährige wurde am 12. Dezember vorigen Jahres an seinem neuen Wohnsitz im südfranzösischen Draguignan verhaftet, nachdem seine älteste Tochter den Mantel einer der Verschwundenen in seinem Keller gefunden hatte. Er gestand die sieben Morde sofort. Über den vorausgegangenen Geschlechtsverkehr sagte er, der sei im „gegenseitigen Einverständnis“ geschehen. Inzwischen hat er alles widerrufen. Seither will er „aus der Ferne beobachtet“ haben, wie „Mitglieder eines Prostitutionsnetzes“ Leichen vergruben.

Das Yonne mit seiner sanften Landschaft und seinen gut erhaltenen mittelalterlichen Ortskernen ist das Eingangstor zur Bourgogne. Nur eineinhalb Autostunden von Paris und doch tiefe Provinz. In den Landgasthöfen trinkt man weißen Chablis aus dem Departement und isst Gänseleber auf geröstetem Gewürzbrot.

Wegen der Hauptstadtnähe und der guten Luft werden traditionell Pflegekinder in der Region untergebracht – besonders geistig Behinderte, für die es in Paris lange Zeit keine Einrichtungen gab. Viele kleinbäuerliche Familien brauchen sie als Hilfen auf dem Hof. Zusätzlich bringen sie Bares in die Haushaltskasse. Der Staat zahlt fast so viel wie einen Mindestlohn pro Kind. Für Behinderte liegen die Sätze höher. Eine Ausbildung wird nicht verlangt.

Im Seignelay der Siebzigerjahre war es ein offenes Geheimnis, dass Emile Louis die Pflegemädchen seiner Geliebten mit „in den Wald“ nahm. Als eines von ihnen auf der Durchgangsstraße von einem Auto angefahren wurde und im Krankenhaus auffiel, dass es „nicht mehr Jungfrau“ war, erfuhr das ganze Dorf davon. Das Mädchen kam nicht nach Seignelay zurück. Emile Louis blieb. Und wurde Ende der Siebzigerjahre in den Rat des Dorfes gewählt. Erst später bemerkte seine Geliebte, dass ihre fünf Pflegekinder – drei Mädchen und zwei Jungen – über „Bauchweh“ klagten. Ein Arzt stellte bei allen sexuellen Missbrauch fest.

Bei dem Prozess Anfang der Achtzigerjahre fand Emile Louis eine Entlastungszeugin, deren Wort in der Region zählte. Die Direktorin einer der Behinderteneinrichtungen der APAJH von Auxerre, Nicole Charrier, lobte die Moral des Busfahrers und nannte die Missbrauchsvorwürfe der Pflegekinder „verleumderisch“. Der Angeklagte kommt mit einer Gefängnisstrafe von vier Jahren davon. Die Mordermittlungen gegen ihn werden eingestellt. Der Justiz fehlen Beweise für den Verdacht, dass er die an Händen und Füßen gefesselte und in einem Misthaufen in der Nähe seines Hauses versteckte 22-jährige Sylviane Lesage-Durand, ein früheres Pflegekind seiner Geliebten, umgebracht hat.

„Ach ja. Der Emile!“, sinniert mit lauter Stimme ein Stammkunde im „Colbert“. „Den kennen wir hier gut.“ Der Besitzer legt stillschweigend eine vom vielen Umblättern abgewetzte Illustrierte mit Fotos des „Serienmörders“ auf den Tresen. „Der Emile ist ein Arschloch“, brummt einer, der rechts vom Zapfhahn lehnt, „aber er ist nicht allein. Da stecken Großkopfete mit drin.“ Von beiden Tresenenden dröhnt es zurück: „Halt’s Maul!“ Das Gespräch in der Eckkneipe schräg gegenüber dem Rathaus von Seignelay ist beendet.

Seit zwei Jahrzehnten hallt das Departement Yonne wider von Gerüchten. Über geheime Bünde der Auxerroiser Gesellschaft, über saufende Würdenträger, über Politiker, die „kleine Jungen“ bevorzugen, und über sadomasochistische Exzesse mit jungen Frauen aus den Behinderteneinrichtungen. An die „Fluchten“ der Verschwundenen glaubt auf der Straße niemand.

Ein Gendarm ermittelt monatelang. Am 26. Juni 1984 legt Christian Jambert einen Bericht im Gericht von Auxerre vor. Alle Verschwundenen „befanden sich im Umfeld von Emile Louis“, steht darin. Im Gericht setzt jemand das Wort „Non“ auf die Akte. Damit sind weitere Verfahren blockiert. Der Gendarm Jambert, ein früheres Pflegekind, wird versetzt. Als ihn 1997 erstmals ein Untersuchungsrichter zur Anhörung über die Verschwundenen vorlädt, wird er wenige Tage vor dem Termin tot aufgefunden. Jambert habe persönliche Probleme gehabt, heißt es. Es sei sein zweiter Selbstmordversuch gewesen, versichern Freunde.

Der Gendarm Jambert war lange die einzige Hoffnung der Familien der Verschwundenen. Viele haben erst spät von der „Flucht“ einer Tochter oder Schwester erfahren. Aber alle sind umgehend zur Gendarmerie gegangen. „Meine Eltern hatten Angst, dass man Françoise und Bernadette gefangen und ins Ausland verschleppt hatte“, erinnert sich Ginette Plumel, geborene Lemoine, die zwei Schwestern unter den Verschwundenen hat. Die beiden Schwestern Lemoine waren zuletzt im Sommer 1977 in der übel beleumundeten Pension über der „Niki-Bar“ im Bahnhofsviertel von Auxerre gesehen worden. Emile Louis hatte sie einquartiert. Später holte er das Gepäck der jungen Frauen ab.

Im Januar dieses Jahres hat die Polizei Ginette Plumel die CD-ROM eines internationalen Pädophilennetzes vorgelegt. Die knapp Fünfzigjährige, ein früheres Pflegekind, glaubt, auf einem Foto ihre ältere Schwester zu erkennen: Françoise, die heute 53 Jahre alt wäre.

Ginette Plumel lebt mit ihren Töchtern in einem ärmlichen Block von Sozialwohnungen am Ortsrand von Auxerre. Durch das Treppenhaus pfeift eisiger Wind. Auf die Straße geht Ginette Plumel nur selten. „Ich schäme mich“, sagt sie, „die Leute starren mich an.“

Marie Julien, geborene Dejust, hat ihre zwei Jahre jüngere Schwester Madeleine zuletzt am 17. August 1974 gesehen. An dem Tag heiratete Marie. „Meine Schwester war sehr einfach und sehr lieb“, sagt die 48-jährige Marie Julien, die mit Mann und Kindern in Migennes in einem Haus zwischen Rangiergleisen und einem Pkw-Ersatzteillager lebt. „Sie wäre nicht abgehauen.“

Die Dejusts hatten sechzehn eigene Kinder, „Mama war krank, Papa arbeitete“. Eines Tages, als sie „ungefähr sechs“ war, fand Marie auf dem Nachhauseweg von der Schule ein „Auto voller Kinder“ vor der Haustüre. Die Sozialarbeiter und Gendarmen luden auch die kleine Marie ein. Von ihren Geschwistern wurde sie getrennt. Als Dreizehnjährige musste sie als Pflegekind „bei den Nonnen“ täglich mehrere Stunden nähen, mit fünfzehn bei einem Winzer Wein lesen. Ihre Eltern sah sie erst als Erwachsene wieder.

„Wenn die Behörden nach Madeleine gesucht hätten, würde sie noch leben“, ist Marie Julien überzeugt. In den Achtzigerjahren hat sie drei Anzeigen in der einzigen Zeitung des Departements, im Yonne Républicaine, geschaltet. „Vermisst“ stand über dem Mädchenbild, gefolgt von der Bitte, wer sie sähe, möge sie „mit eigener Hand“ einen Brief schreiben lassen. Statt Hinweisen auf ihre Schwester erhielt Marie Julien Anrufe von Leuten, die „böse Dinge“ ins Telefon sagten.

Im Januar 1984 stößt die Polizei im Departement Yonne auf eine kriminelle Affäre, die scheinbar ohne jeden Zusammenhang mit den sieben Verschwundenen ist. Im schallisolierten Keller eines Einfamilienhauses an der Allée des Violettes in Appoigny, an der nördlichen Ausfallstraße von Auxerre, hebt sie ein Folterzentrum für zahlende Kunden aus. Die Tarife sind an die Wand geheftet: Zigarettenausdrücken auf der Brust sechshundert Franc, Hakenkreuze in die Haut brennen etwas mehr. Zwei frühere Pflegemädchen, davon eines aus derselben Sonderschule der APAJH wie mehrere Verschwundene, sind im Keller angekettet. Zu essen bekamen sie Hundefutter aus Büchsen. Rund dreißig Kunden misshandelten sie. Die Männer waren immer maskiert. Bei ihrer Befreiung schwebten die 22-jährige Michaela und die 19-jährige Huguette zwischen Leben und Tod.

Das Notizbuch des Betreibers des Folterzentrums, Claude Dunand, ging während der Ermittlungen im Gericht verloren. Über seine Kunden gab der Angeklagte, der zu „lebenslänglich“ verurteilt wurde, nur eine einzige Information preis: „wichtige Leute“. Namen nannte er nicht. Andere Fragen stellte die Justiz erst gar nicht. Niemand durchsuchte die vorausgegangenen Wohnsitze Dunands, der sein Folterzentrum sechzehn Jahre lang betrieben hatte und vielfach umgezogen war. Auch das Schicksal früherer Folteropfer wurde nicht aufgeklärt – dabei war klar, dass kein Mädchen die Misshandlungen länger als einige Monate überleben konnte.

Im Oktober 1989 erschüttert ein neues Sexualverbrechen das Departement. APAJH-Präsident Pierre Charrier wird wegen Missbrauchs einer Behinderten aus seiner Institution verhaftet. Charrier, der in den Siebzigerjahren die Sonderschule leitete, die mehrere Verschwundene besuchten, brachte die 23-jährige Nathalie jede Woche zu einem Folkloretreffen. Nach der Rückkehr musste ein Freund sie trösten: „Nathalie weinte und weinte.“ Eine Erzieherin zeigte den Präsidenten an. Anschließend verließ sie APAJH und Auxerre.

Pierre Charrier war der Pionier der Arbeit mit geistig Behinderten in Auxerre. Zusammen mit seiner Frau Nicole und mit Georges Decuyper hatte er seit den Siebzigerjahren die acht Sonderschulen und Werkstätten aufgebaut und die APAJH zu einem der größten Arbeitgeber des Departements gemacht. Er gehörte zu dem Kreis der ehrenwerten Bürger von Auxerre. Pflegte persönlichen Kontakt zu dem rechten Bürgermeister und der linken Opposition, zu den von Paris entsandten Präfekten und den Spitzen des Gerichtes.

Charriers Verhaftung sorgt für Unruhe in der APAJH. Eltern behinderter Kinder sprechen von dem „Trio infernale“ und verlangen eine grundsätzliche Debatte über die pädagogischen Methoden. Einige wollen sich als Nebenkläger am Prozess gegen Charrier beteiligen. Die Leitung lehnt ab. Im Verwaltungsrat fallen Bemerkungen wie: „Ein bisschen Zuwendung tut den behinderten Mädchen gut.“ Mitgefühl für das Opfer gibt es nicht. Nathalie landet in der Psychiatrie. Pierre Charrier, der seine Strafe abgesessen hat, lebt heute als Rentner in einem benachbarten Departement.

Der Streit schlägt Wogen bis nach Paris. Die Regierung schickt eine Untersuchungskommission, die der Direktion der Auxerroiser APAJH 1993 „professionelle Fehler“ und „Inkompetenz“ bescheinigt. Doch es bleibt bei der Bevormundung der Behinderten und bei dem vulgären Umgangston von Direktorin Nicole Charrier gegenüber den ihr Anempfohlenen. Eine verspätete Schülerin begrüßt sie mit den Worten: „Schlampe, du gehörst durchgefickt.“ In den Männerduschen „prüft“ sie, „ob die Kerle sich anständig waschen“. Die Mitarbeiter der APAJH haben Angst. Der neue Präsident, Georges Decuyper, den sie den „Killer von Auxerre“ nennen, droht allen mit Kündigung, die den Mund aufmachen.

Die Wende kommt von außen. Pierre Monnoir, reisender Handelsvertreter und Bruder eines inzwischen verstorbenen Behinderten, lebt in dem Nachbarstädtchen Joigny. Ein Vorteil. Denn in den engen Gassen rund um die Kathedrale von Auxerre wird Monnoir bald als „Lügner“ und „Extremist“ beschimpft. Anfang der Neunzigerjahre gründet er mit anderen Angehörigen die „Vereinigung zur Verteidigung der Behinderten des Yonne“. Schon bald stößt die Vereinigung auf das nie aufgeklärte Verschwinden der sieben jungen Frauen. 1993 wendet sich Monnoir an den Staatsanwalt. Als die Justiz nichts tut, geht er in die Medien. 1996 spricht Monnoir mehrfach im Radio über die verschwundenen Frauen. Jedes Mal melden sich anschließend Angehörige. „Sie sind der erste, der sich für uns interessiert“, sagen sie ihm.

Monnoir sucht einen Anwalt. In Auxerre lehnen alle ab. Wegen „Arbeitsüberlastung“. Schließlich übernimmt ein Pariser Anwalt und findet einen juristischen Trick. Er erstattet Anzeige wegen „Entführung und Gefangennahme“. Das wirkt. 1997 – zwei Jahrzehnte nach dem Verschwinden der Frauen – eröffnet ein Untersuchungsrichter in Auxerre ein Ermittlungsverfahren.

Mord und Vergewaltigung verjähren in Frankreich nach zehn Jahren. Aber eine „Gefangennahme“ könnte theoretisch bis in die Gegenwart anhalten – zumindest so lange, bis die Leichen der Opfer gefunden sind. Ein Erfolg für Monnoir: „Wir kleinen Leute haben es geschafft, die Nomenklatura von Auxerre zu stören.“

Die Yonne Républicaine versucht, den Ruf des Departements zu retten. Die Zeitung, die es Mitte der Neunzigerjahre für „paranoid“ hielt, einen Zusammenhang zwischen den sieben Verschwundenen herstellen zu wollen, warnt heute davor, die verschiedenen Affären rund um Auxerre zu vermischen. Das sei „Pariser Sensationalismus“, schreibt das Blatt, und durch nichts bewiesen. Die starke katholische Kirche enthält sich jeden Kommentars. Sie konzentriert sich auf die Pädophilieprozesse, die gerade gegen mehrere Lehrer ihrer Privatschulen im Departement laufen.

Der Busfahrer Emile Louis, der jahrelang zwischen den Welten hin und her pendeln konnte, wird voraussichtlich im Gefängnis bleiben. Wenn nicht wegen der sieben Verschwundenen, dann wegen anderer Verbrechen, die ihm neuerdings zur Last gelegt werden. Seit seiner Verhaftung im Dezember haben sich weitere Frauen gemeldet und über Vergewaltigungen durch ihn berichtet. Manche davon liegen vierzig Jahre zurück, andere nicht einmal zehn. Letztere fanden an seinem neuen Wohnsitz in Südfrankreich statt und sind nicht verjährt. Auch dort ist jetzt ein Untersuchungsrichter an der Arbeit.

Die Versäumnisse im Gericht, in den Behinderteneinrichtungen und bei den Behörden von Auxerre sind jetzt Gegenstand von zwei Verwaltungskontrollen im Auftrag der Pariser Regierung. Die Inspektoren sollen klären, was alles in den letzten zwei Jahrzehnten falsch gelaufen ist und wer versagt hat.

Eine einzige Spitzenbeamtin in Auxerre ist bereit, mit Journalisten über die Verschwundenen und über die anderen Affären in dem Departement zu sprechen. Michèle Aucouturier, Direktorin der Behörde für Gesundheit und Soziales (Ddass), kommt von außerhalb. Sie hat ihren Posten erst im vergangenen Jahr angetreten und stellt sich jetzt auf ein „Großreinemachen“ ein. Was sie seit ihrer Ankunft im Yonne am meisten frappiert hat? „Das Gesetz des Schweigens.“

DOROTHEA HAHN ist seit 1995 Frankreichkorrespondentin der taz