„Ich lach mich tot!“

Der Ur-Talker lässt das Talken sein: Heute läuft zum letzten Mal „Hans Meiser“ (15 Uhr, RTL). Ein Gespräch über Quoten und Prostitution

Weiß eigentlich noch jemand, dass Hans Meiser 1970 bei SWF 3 angefangen hat? Schon ein Jahr später wechselte er zu Radio Luxemburg, wo der gelernte Journalist auch die Unterhaltungssendung „Hans im Glück“ moderierte – die Weichen waren gestellt. Als bei RTL 1984 das private Fernsehen begann, war Meiser der erste private „Anchorman“ („7 vor 7“). Im gleichen Jahr startete auch „Hans Meiser“ – die erste tägliche Talkshow im deutschen Fernsehen. Der 54-Jährige will künftig lieber produzieren als moderieren.

taz: Hans Meiser, nach mehr als 3.000 Nachrichtensendungen und 1.700 Talkshows bei RTL hören Sie schon auf. Ist das nicht ein bisschen früh?

Meiser: Das reicht eigentlich. Rechnerisch gab es seit dem 2. Januar 1984 keinen Tag, an dem ich nicht vor der Kamera stand. Das finde ich ein bisschen viel. Aber ich höre ja nicht ganz auf, sondern nur mit der Talkshow. Ich denke, das ist auch ganz gut so.

Kritik an Ihren Shows gab es auch – und das nicht zu knapp.

Es waren viele Sendungen dabei, die richtig gut waren. Auch meine schärfsten Kritiker haben das so empfunden. Aber ich habe auch viele schlechte Sendungen gemacht, richtig miese sogar – Schwachsinn wie „Ich bin dick und liebe trotzdem gut“. Auch meine besten Freunde haben das so empfunden.

Sie waren der Erste, der nicht nur Prominente oder Politiker eingeladen hat, sondern Hinz und Kunz ...

... die kleinen Leute, die sonst nie gehört werden ...

... und das am Nachmittag, wo sowieso keiner Fernsehen guckt, außer Alten, Kindern und Sozialhilfeempfängern.

Wer sagt das denn? Wir haben in den Anfängen Quoten von über sieben Millionen Zuschauern gemacht, das waren 46 Prozent Marktanteil.

Waren Ihre Shows Vorläufer von „Big Brother“?

Ich ärgere mich, dass mir als Produzent nicht diese Idee gekommen ist. Was ich daraus gemacht hätte, weiß ich nicht. Grundsätzlich muss ich mir als Zuschauer nicht anschauen, was ich nicht sehen will. Ich finde die Seelenberatung viel bedenklicher, die in manchen deutschen Sendern angeboten wird.

Was ist mit Ihrer täglichen Politshow, die Sie in der Schublade haben?

Zur Zeit wagt keiner die Show so zu machen, wie ich sie plane. Der Maßstab soll Larry King sein, der das schon lange in den USA macht. Diese Sendung muss ich nicht selbst moderieren, ich kann sie auch produzieren.

Warum will das keiner machen?

Ich denke, so ein Format fehlt in Deutschland. Ein Ort, bei dem ein parteiunabhängiger Mensch den Politikern sagt, wo es langgeht, ihnen auf die Finger schaut und ihnen sagt: „Jetzt wird Klartext geredet.“ In Deutschland ist der Fernseh- und Hörfunkjournalismus fast ausschließlich mit parteipolitisch gebundenen Leuten besetzt. Das ist auch nicht anders als in Tschechien. Außerdem gibt es eine solche Sendungen ja schon, sehr gut gemacht von Sandra Maischberger auf n-tv.

Sie sind immer mehr ein Nachrichtenmensch als ein Unterhalter gewesen?

Für mich sind Nachrichten Unterhaltung. Alle Welt unterhält sich doch über Nachrichten. Diese Trennung ist typisch deutsch: Hier der hehre Journalismus, dort die billige Unterhaltung. Ich kann das nicht mehr hören.

Warum sind Sie vom Nachrichtenfach in die Unterhaltung gewechselt?

Es gab einen Chefredakteur bei RTL, mit dem ich nicht konnte. Ich wollte dann weg, wieder Hörfunk machen oder für Zeitungen schreiben, aber RTL ließ mich nicht gehen. Dann kam der Sender mit dem Vorschlag einer nachmittäglichen Talkshow. Ich habe denen gesagt, dass das nicht funktionieren wird. Wir haben trotzdem gemeinsam ein Konzept erarbeitet. Und irgendwie hat es ja doch geklappt.

Es heißt, Sie seien vom Fernsehen besessen.

Ich habe zu Hause eine Satellitenanlage und kann mir 700 Programme anschauen. Ich switche da manchmal durch. Fernsehen aus dem Sudan oder Kuwait finde ich interessant. Vor allem dann, wenn dort Lehrstunden kommen, wie man Falken richtig ausbildet. Ich verstehe kein Wort und lach mich tot dabei.

Sie gelten als cholerisch.

Es hieß auch, ich hätte mal eine Tür eingetreten. Tatsache war, dass mir einer einen Witz erzählt hat und ich vor Lachen mit der Faust in eine Tür geschlagen habe. Das war so eine Billigbaumarkt-Tür für 69 Mark. Die ging ganz leicht kaputt. Aber ich bin sehr ungeduldig, das stimmt. Wenn ich einem Kollegen zum dritten Mal etwas sagen muss, werde ich laut.

Sie verdienen Geld damit, wenn sich andere öffentlich prostituieren.

Sie verdienen mit diesem Artikel ja auch Geld. Jeder Bäcker verdient mit seinen Brötchen Geld. Ich habe eben Informationen über Menschen verkauft. Sie können fast alle 14.000 Gäste anrufen und fragen, ob sie nicht einverstanden waren. Die beklagen sich nicht. Die waren nicht entmündigt, die wurden nicht für geisteskrank erklärt und hatten auch nicht ihre bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt bekommen. Also dürfen die doch erzählen, was sie wollen. Was soll daran schlimm sein?

Haben Sie der Öffentlichkeit Ihre Seele verkauft?

Klar habe ich mich der Öffentlichkeit verkauft. Das macht jeder, der ins Fernsehen geht. Jeder verkauft da sein Ich, sogar seinen Schatten.

Wird Gott uns alle für unsere Taten strafen?

Mir hat ein Kollege, der sehr religiös ist, gesagt: Jeder wird für das bestraft, was er falsch gemacht hat. Aber wer will das für sich gerecht beurteilen?

INTERVIEW: WOLFGANG MESSNER