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: Es war mal ein Arzt in Steinstücken

Pathologie, 6. Variation

Als ich neulich etwas über Honor Blackman wissen wollte, das ist die Dame, die sich nicht nur in schwarzem Glattleder durch die Prä-Emma-Peel-Phase bei „Mit Schirm, Charme und Melone“ schlug, sondern auch Sean Connery in Goldfinger um denselben wickelte, da spielte mir die Suchmaschine einen Streich: Ich hatte „Pussy Galore“ in das Suchfeld eingegeben, so hieß Miss Blackman nämlich bei James Bond. „Pussy“, teilte mir die Suchmaschine aber angewidert mit, sei ein zu vernachlässigendes Wort und nicht jugendfrei. Darum habe sie, die Suchmaschine, sich entschlossen, es bei der Suche nicht zu beachten, und präsentierte mir ein paar Internetseiten mit „Backgammon Galore“ und „spiders.galore.com“.

Ich war entzürnt. Was sollen die Honor-Blackman-Fans dieser Welt tun? Was die Jon-Spencer-Fans? Denn „Pussy Galore“ hieß auch die Exband dieses Gitarristen, der so gut Hemden tragen kann. Und genauso heißt eine Galerie in Mitte, die mir regelmäßig Einladungen zu Partys schickt, auf denen „Soundsysteme“ namens „Pathologie 3“ auftreten. Was, wie ich finde, nicht unbedingt so reizvoll klingt, dass man unter allen Umständen dort hingehen möchte: Welche Art Musik macht denn wohl ein Jemand mit dem Namen „Pathologie“? Wahrscheinlich doch Geräusche von schreienden Kranken, gesampelte Zahnarztbohrer, gemischt mit diesen „Gruselgeräuschen“, die man oft als Kassetten auf dem Flohmarkt findet. Darauf sagt immer eine freundliche Zeitansagenfrauenstimme an: „Geräusch Nr. 5“, dann hörte man einen spitzen Schrei, ein Sausen, ein Hacken und dass etwas herunterfällt.

Die nette Einladung der Pussy-Galore-Galerie ignorierte ich an diesem Abend jedenfalls kurzerhand und lud mir stattdessen Gäste ein. Hin und wieder kann Besuch, der durch sämtliche Zimmer turnt und überall seine neugierige Nase reinsteckt, nämlich nicht schaden, sonst wird man früh eigen, kriegt Tics und merkt zum Beispiel gar nicht, dass man schon seit Monaten in einem verschimmelten Müllhaufen haust. Wenn man aber Besuch bekommt, räumt man vorher ein wenig auf, oder der Besuch weist einen zumindest darauf hin, dass man es tun sollte. Mein vorletzter Besuch hat mir ein paar Tage später per Post eine Packung „Swiff“ geschickt, das sind mirakulöse Staubtücher, mit denen man sich einfach nur in die Mitte des Zimmer stellt, und schon kommt der Staub von allen Seiten angesaust und setzt sich auf das Tuch. Ich schwör’s. Viel effektiver jedenfalls als der lustige Wedel, mit dem ich den Staub in meiner Wohnung sonst immer habe umziehen lassen: von der Lampe auf die Anlage. Von der Anlage auf die Phaserpistolensammlung. Von der Phaserpistolensammlung auf die Papierhaufen etc.

Ich hatte mir also Besuch in die staubige Bude eingeladen, wir tranken Aquavit, der in einem kleinen Holzschiffchen einmal bis zum Äquator und zurückgeschippert war, und das machte uns seltsam: Wir versuchten, Limericks zu dichten, in denen das Wort „Pathologie“ oder eine Beugung davon vorkommen musste. „Es war mal ein Arzt in Steinstücken / der operierte am liebsten am Rücken / Doch er arbeitete nie / in der Pathologie / denn sein Wissensschatz hatte noch Lücken“ ist einer, an den ich mich erinnere. Nicht besonders zufrieden bin ich rückblickend mit dem Jugendlichen-Slang-Limerick, der zudem noch untypisch und auch verboten in der ersten Person Singular gereimt wurde „Isch hat mal ’n Joint und den trog isch / voll krass immer bei mir, drum log isch / die Lehrerin an: / Alte, mach misch nisch an! / Du bist ja voll krass pathologisch“. Ich habe aber auch nie behauptet, dass Aquavit einen zum Dichter macht. Nur dichter macht er einen. JENNI ZYLKA

P.S.: Eine weniger empfindliche Suchmaschine hat mir etwas später doch noch etwas zu „Pussy Galore“ ausgespuckt: „pussy snatch hooch cunt coot com“. Ich will gar nicht wissen, was das bedeutet. Bestimmt auch etwas Pathologisches.