Liebe, die abprallt

■ Geschimpf und Gesang über das Leiden der Leidenschaft im Theater N.N.

Sie spielt Akkordeon, sein Schatten hält sich die Ohren zu. Sie singt, er lässt den Elektrorasier übers Kinn kreisen. Sie schreit „ich lehne es ab, ein Opfer zu sein“ und ist nichts anderes. Er sagt keinen Ton, in seinem Gesicht regt sich nichts, er versteckt sich hinter der Zeitung und einer Mauer aus Kälte. Der schöne Teilnahmslose von Jean Cocteau ist zur Zeit im Theater N.N. Hamburg in einer sehenswerten Inszenierung von Dieter Seidel zu sehen.

Etwas über eine Stunde lang spielen Andreas Schäfer und Monica Arnó das Leiden der Leidenschaft. Monica Arnó wirkt so zerbrechlich, aber ihre Liebe zu dem Wortlosen scheint unzerstörbar. Ganz in Schwarz geht sie auf und ab, auf und ab. Wenn sie es nicht mehr aushält, nimmt sie das Akkordeon und singt von Mon Dieu, von ihm, und ihrem Schmerz. Immer wieder verkündet sie: „jetzt pack' ich aus“. Ihn interessiert der Sportteil der Zeitung mehr. „Ich bin die Ruhe selbst“, schreit sie, will ihn erblassen und zittern gesehen haben. Er ist die Ruhe selbst. Seine Zweitfreundin ruft an. Sie ist gerührt, dass er mit ihr immerhin auch nicht sprechen will. Er hat nur geschlafen. Er tippt eine Botschaft für die andere ins Handy.

Das Piepen, das Zeitungsrascheln, seine Schritte und das Summen des Rasierers sind seine einzigen Geräusche. Seine Ruhe provoziert ebenso wie ihre Hysterie. Ihn möchte man schütteln, hassen. Und sie, warum liebt sie das emotionslose Monster? Weil Cocteau diesen exzentrischen Monolog für Edith Piaf geschrieben hat. Und weil wir ihren unglücklichen Lieben ihre wunderbaren Lieder zu verdanken haben. Am Ende geht er. Wortlos natürlich. Sie bleibt allein mit dem Akkordeon und erinnert sich an die guten Zeiten. An „la belle histoire d'amour“. Sandra Wilsdorf

nächste Vorstellungen: 2. - 4., 16. - 18., 30. + 31. März