Viva wirft Ballast ab und expandiert weiter

Viva Zwei ist kein Sender, sondern ein „strategisches Tool“ – das keiner mehr braucht: Viva wird neu konzipiert, Viva Zwei abgeschaltet

Nur kurze Zeit nachdem der Kanal als Anerkennung für sein unkonventionelles und im Musikfernsehen einzigartiges Programm zweimal für den Grimme-Preis nominiert wurde, steht fest: Viva Zwei wird in der jetzigen Form spätestens im Sommer 2001 aufhören zu existieren.

Der Gründe dafür erläutert eine Sprecherin der Viva-Media AG so: „Wir sind, und das belegen auch die neuesten Studien, mit Viva nach der Astra-Aufschaltung so erfolgreich, dass wir Viva Zwei als strategisches Tool gegen MTV nicht mehr benötigen.“

Erst seitdem Viva auch über den Astra-Satelliten zu empfangen ist, hat der Sender unter Dieter Gorny die gleiche Reichweite wie die Konkurrenz von MTV– in etwa 30 Millionen Haushalten können beide empfangen werden. Bei der letzten Marktanalyse vor der Astra-Aufschaltung lag MTV mit 4,54 Millionen Zuschauern pro Tag noch knapp vor Viva (4,37 Millionen).

Das soll sich jetzt wieder ändern. Denn der Ableger Viva Zwei sorgte zwar für gute Kritiken, innovative Ideen und brachte Talente wie Charlotte Roche hervor, doch was nützt das alles, wenn man damit kein Geld verdient?

Qualität, aber kein Geld

Dieter Gorny ist bemüht, zum Global Player zu werden, und expandiert in Europa: Vor kurzem hat Viva den ungarischen Sender Z + übernommen, zudem sind die Kölner in Polen und ab Mai in Italien vertreten. Damit Viva Zwei beim Einkaufen nicht zum Klotz am Bein wird, sollen die Quoten bringenden Formate gerettet werden und in einem einzigen, großen Viva aufgehen, das komplett neu strukturiert wird. Verantwortlich für dieses Vorhaben ist Stefan Kauertz.

Der 31-Jährige war nach dem Abgang von Elmar Giglinger zu MTV zum Programmchef bei Viva Zwei aufgestiegen und soll jetzt zum Heilsbringer werden. „Wir konzentrieren uns ganz auf das Facelifting und die Programmgestaltung des neuen Kanals. Stefan Kauertz wird weiterhin für die Qualität des Senders bürgen“, so die Sprecherin.

Es wird nicht leicht werden, das Mainstream-Programm für Teenies von Viva mit dem alternativen Nischenkonzept des Schwesterkanals zu vereinen. Erste vorbereitende Schritte waren die zweigleisige Austrahlung von Nils Rufs Pöbelsendung „Kamikaze“ und die Verpflichtung von Christoph Schlingensief. Befürchtungen von Viva-Zwei-Zuschauern, in Zukunft ausschließlich musikalischen Stumpfsinn sehen zu müssen, möchte man zerstreuen: „Ich kann verstehen, dass manche skeptisch sind und diesen Schritt kritisch beurteilen. Das Programm wird aber nicht reduziert. Im Gegenteil, wir expandieren“, sagt die Sprecherin und meint damit wohl, dass in Zukunft jeder alles sehen kann.

Platz für neue Ideen

Was mit dem frei werdenden Sendeplatz im Kabelnetz und der Astra-Frequenz passiert, ist noch unklar. Mann wolle den Platz behalten und dann mal schauen, heißt es. Und: Man sei mit allen möglichen Partnern in Kontakt.

Dass die RTL-Gruppe (Bertelsmann-Konzern) an einem Einstieg interessiert sei, bezeichnete die Viva-Sprecherin als „nicht ganz falsche Spekulation“. Konkrete Pläne gebe es allerdings noch nicht. Eine zur Zeit diskutierte Fusion der Bertelsmann-Musiksparte BMG mit der britischen Plattenfirma EMI, die 18,2 Prozent der Aktien an der Viva-Media AG hält, würde die RTL-Gruppe zumindest in erreichbare Nähe rücken.

„Das sind Dinge, von denen ich nichts weiß und zu denen ich nichts sagen kann“, meint Peter Widlok, Pressesprecher der Landesanstalt für Rundfunk (LfR) in Nordrhein-Westfalen. „Wir wissen, dass bei Viva Zwei Veränderungen geplant sind. Diese wären gegebenfalls zu genehmigen“, so Widlock weiter. Über Änderungen der Programm- und Gesellschafterstruktur des Senders müsse die LfR informiert werden. Aber: „Erst wenn konkrete Entscheidungen vorliegen, können wir diese auch beurteilen.“ Beurteilenswertes wollen die Viva-Verantwortlichen auf einer Pressekonferenz am 7. März bekannt geben. Bis jetzt ist nur zu hören: „Wir sind für alles offen, werden aber keinen Shopping-Kanal und kein RTL-2-Double etablieren.“ JAN FUHRHOP