ein ungebetener hotelgast
:

von RALF SOTSCHECK

Britische Hotels sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Offenbar nehmen sich viele Hoteliers ein Beispiel an Basil Fawlty, jenem ungastlichen Gastwirt aus der wunderbaren Fernsehserie „Fawlty Towers“, der seiner Kundschaft und seinem Laufburschen Manuel aus Barcelona mit allerlei Garstigkeiten das Leben zur Hölle machte. Als er einmal deutsche Gäste hatte, warnte er sein Personal, bloß nicht den Krieg zu erwähnen: „Don’t mention the war.“

Seitdem ist dieser Satz in England zum Sprichwort geworden. Am Ende war es freilich Fawlty sellbst, der den Krieg erwähnte und den Deutschen einen Hindenburger und ein Steak à la Goebbels servieren wollte. Ohnehin zog Fawlty, gespielt von John Cleese, meist den kürzeren. Als er beschloss, den „Riff-Raff“, das gemeine Volk, loszuwerden und statt dessen Gäste der gehobenen Klasse anzulocken, fiel er auf einen adligen Hochstapler herein, der ihm seine Münzsammlung klaute, während der „Riff-Raff“ sich als Kriminalbeamter entpuppte, der die wertvollen Münzen rettete.

David Maslin, Besitzer des Moorland Hotel im walisischen Aberporth, hat sich Basil Fawlty zum Vorbild auserkoren. Auch er hegte höhere Ambitionen. Der 58-Jährige wünschte sich vornehmes, vor allem aber zahlungskräftiges Publikum. Maslin wohnt in seinem Hotel in Zimmer 101. In George Orwells Roman „1984“ ist das Zimmer mit dieser Nummer „der schlimmste Ort auf Erden“. Schlimmer für Maslin war jedoch das Nachbarzimmer 102. Dort wohnte der arbeitslose John Jeremy, der die Hotelrechnung vom Sozialamt bezahlt bekam. Maslin versuchte mit allerlei Gemeinheiten, Jeremy aus dem Hotel zu treiben. So stellte er ihm den Strom ab und öffnete grundsätzlich seine Post. Jeremy ließ sich dadurch jedoch nicht verjagen. Ein Stammgast im Moorland Hotel, der Handlungsreisende George Middleton, bot Maslin schließlich seine Hilfe an: Seine Brüder, beide Türsteher in Diskotheken, sollten den ungebetenen Gast kurzerhand hinausbefördern. Leider konnte Middleton seine schwergewichtigen Brüder nicht auftreiben. So fragte er in der Dorfkneipe, ob sich jemand ein paar Pennies hinzuverdienen wollte. Am nächsten Morgen wurde Jeremy von zwei Fremden geweckt. Sie brachten ihm jedoch nicht das Frühstück ans Bett, wie er gehofft hatte, sondern setzten ihm ein Messer an die Kehle. Dann warfen sie ihn in ein Auto und transportierten ihn in die walisische Wildnis. Dort banden sie ihn an das Tor eines Einödhofs und baten ihn nachdrücklich, sich nicht mehr im Hotel blicken zu lassen. Jeremy wurde nach ein paar Stunden befreit, die beiden Fremden waren nicht mehr ausfindig zu machen. Dafür aber Maslin und Middleton. Richter Hugh Williams konnte sein Vergnügen an dem Fall kaum verbergen. „Obwohl die Sache sehr ernst ist“, kicherte er, „so ist sie doch auch völlig lächerlich.“ Er bescheinigte den beiden Angeklagten, keine echten Gangster zu sein, und verurteilte sie zu Bewährungsstrafen. Wenigstens hatten sie Jeremy nicht, wie in Orwells Roman, in einen Käfig voller Ratten gesetzt.