Die Sinti und Roma sollen bald umziehen

Im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen gab es Angriffe auf ein Asylbewerberheim. Einige wenige Anwohner und Flüchtlingsbetreuer trafen sich

AACHEN taz ■ Die Vertreter des „Runden Tisches für Flüchtlingsarbeit“ in Geilenkirchen hatten sich einiges vorgenommen. Persönlich zogen sie Anfang Februar von Haus zu Haus in dem 100 Einwohner zählenden Ortsteil Kogenbroich und baten zur „Bürgerversammlung“. Vorausgegangen waren Anschläge auf das örtliche Wohnheim. Doch nur wenige Kogenbroicher kamen schließlich, um in einem gemieteten Linienbus vor dem Asylbewerberheim mit Flüchtlingsbetreuern zu diskutieren.

Schon im Sommer war es in dem ehemaligen Obdachlosenasyl, das zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut wurde, zu einem Dachstuhlbrand, schweren Verwüstungen, Steinwürfen und Schüssen gekommen (taz berichtete). Die Lage beruhigte sich wieder nach dem Einzug von vier Flüchtlingsfamilien. Eine Regionalzeitung berichtete von Jugendlichen, die nochmals Steine auf das Haus warfen und dabei erwischt wurden. Nach Aussagen von Flüchtlingsbetreuern gab es nächtliches Klingeln an der Tür des Heims. Bewohner des Ortes – der weit ab vom Zentrum liegt – kritisieren, eine „Problemfamilie“ unter den Asylbewerbern habe sie oft belästigt, etwa, um in die Stadt chauffiert zu werden.

Am 2. Februar wurde dann nachts das Auto, das der Mann der „Problemfamilie“ sich ausgeliehen hatte, in Brand gesteckt. Zwei Tage später prügelte er seine schwangere Frau über die Straße. Ein Nachbar, der den Flüchtlingen immer schon seine Hilfe anbot, gewährte ihr Schutz. Zwei Nächte später flog ein Stein in das Fenster des Wohnheims, nachts darauf klatschten Farbbeutel auf das Haus desjenigen, der die Frau vor ihrem Gatten schützte. Betreuer glauben an einen weiteren Anschlag, Anlieger an Rache des Schlägers. Denn, so direkte Nachbarn des Wohnheims während der Bürgerversammlung, „die gehören zu einer Großfamilie von Sinti und Roma, die drehen alle krumme Dinger“. Schon beim Umbau des Gebäudes seien sie „von denen massiv bedroht worden“. Als sie dann gegen die Fremden protestierten, sei es ihnen nur um diese Familie gegangen. Probleme mit anderen Flüchtlingen gebe es keine. Jürgen Benden, Politiker der Grünen im Ort und Teil des Runden Tisches, sieht das anders. Die, die gegen das Asylbewerberheim demonstrierten, sind ihm bleibend in Erinnerung geblieben. „Die kriegen wir klein“ sei noch das Netteste gewesen, was zu hören war. Und während im Linienbus – Betreuer und wenige Kogenbroicher – ihre Ängste schildern und das Gespräch suchen, stehen die unmittelbaren Anlieger auf ihrer Straße im Regen. Kriminalisiert und in die rechte Ecke gedrängt fühlen sie sich und fügen in einer Mischung aus Trotz und Ironie hinzu: „Die wollen doch wohl nicht mit Kriminellen reden.“

Die Aachener Polizei schließt einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht aus. Bei den „Sachbeschädigungen,“ so ein Polizeisprecher, hat die Staatsschutzabteilung die Ermittlungen übernommen. Aber es gibt „keine konkreten Täterhinweise“. Unterdessen hat die Stadt Geilenkirchen Wohnheim und Grundstück mit Zäunen, Bewegungsmelder, Rolläden und einem Notruftelefon gesichert. Im Einvernehmen mit dem Runden Tisch, so ein städtischer Angestellter, „wird die Problemfamilie bald in eine andere Unterkunft verlegt“.

MICHAEL KLARMANN