Zweifelhafte Imagekampagne

Das in Würde gealterte „Renty“ soll Walter Riesters Rentenreform populär machen

Millionenfach wird Renty in den kommenden Wochen von Plakatwänden blicken

BERLIN taz ■ Die neue Rente kommt. So viel ist sicher, seit der Bundesrat am vergangenen Freitag große Teile der Rentenreform der Bundesregierung gebilligt hat. Aber – wie wird sie aussehen? Bisher mussten die Bundesbürger versuchen, drögen Begriffen wie Altersvermögensergänzungsgesetz, Kinderkomponente und Entgeltumwandlung eine Bedeutung abzuringen – oftmals vergeblich. „Wir haben viele Briefe bekommen, in welchen sich gerade junge Menschen über die komplizierte Sprache des Rentenrechts beschwert haben“, so Sigrid Feissler, Pressesprecherin des Bundesministeriums Arbeit und Sozialordnung, zur taz. Dies sei Anstoß gewesen, mit einem „völlig neuen“ und „bisher so nie dagewesenen“ Konzept die Bürgerinnen und Bürger für die staatliche Altersvorsorge zu gewinnen. Mit der Entwicklung einer entsprechenden Kampagne hatte die Bundesregierung die LondonerWerbeagentur Saatchi & Saatchi betraut. Auftragsvolumen: 35 Millionen Mark.

Die neue Rente – wie sieht sie aus? Drei Monate lang tüftelten die hoch bezahlten Londoner Kreativen, gestern präsentierten sie und der Sozialminister Walter Riester (SPD) in der Nationalgalerie an der Berliner Potsdamer Straße ihre werbewirksame Antwort: Die neue Rente ist ein in Würde gealtertes Rentier namens „Renty“. „Sympathisch“ soll es wirken, dabei auch „weise“ und „Vertrauen weckend“, erläuterte Riester im Pressegespräch, „ein wenig wie ich“, fügte er hinzu – zwar scherzend, aber dennoch eine Spur zu eitel.

Millionenfach wird Renty in den kommenden Wochen von Plakatwänden blicken, durch TV-Spots galoppieren, interaktiv im Internet präsent sein (www.renty.de) und im Renty-Mobil in deutschen Innenstädten um Sympathien werben. Eine Million Renty-Aufkleber will Riester ab Donnerstag landauf, landab auf Pausenhöfen und in Kindergärten verteilen lassen: „Gerade die Jüngsten müssen früh mit ihrer Alterssicherung konfrontiert werden“, weiß der Reformminister. Riester, der die Pressekonferenz, offenbar in alberner Laune, mit einer Renty-Latexmaske über dem Kopf eröffnete, wirkte sichtlich begeistert von den Ideen der Agentur.

Die Opposition jedoch kann diese Freude nicht teilen. „Wir halten diese Kampagne für eine beispiellose Verschwendung von öffentlichen Mitteln“, monierte CDU-Rentenexperte Andreas Storm. Doch das sei noch nicht einmal das Schlimmste: „Eigentlich begrüßen wir das Bestreben der Bundesregierung, dem Gedanken der Altersvorsorge breiten öffentlichen Raum zu verschaffen. Aber haben Sie sich dieses Tier schon einmal angesehen? Mit Verlaub, es sieht bescheuert aus.“

Tatsächlich macht Renty auf den unvoreingenommenen Betrachter einen eher unbedarften, leicht tumben Eindruck. Doch dem widerspricht Riester vehement: „Auch der Kanzler trägt den Entwurf.“ Und der neue Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin habe letzte Korrekturen an der Gestaltung „zur Chefsache“ gemacht.

Abgesehen von ästhetischen Bedenken zweifelt Storm (CDU) auch an der inhaltlichen Aussage- und Überzeugungskraft Rentys: „Haben Sie sich mal angehört, was dieses Tier redet? Und wie es schreibt?“ In der Tat: Rentys Äußerungen sind zumindest gewöhnungsbedürftig. Wer sich unter www.renty.de über die Alterssicherung aufklären lassen will, wird mit gezwungen klingendem Jugendjargon konfrontiert. Auszüge: „Die Rentenanpassung orientiert sich wieder volle Kanne an der Lohnentwicklung. Geil! Mit der remixten Anpassungsformel wird zugleich für die heutigen und künftigen Oldies ein einheitliches Rentenniveau vercheckt. Krasse Sache! Die Witwen- und Witwerrenten werden voll neu gemacht und um eine Kinderkomponente geturnt. Schnafte, was?“

Das mag vielleicht „schnafte“ klingen, ist aber eine billige Kopie. Bei genauem Hinsehen stellt sich heraus: Hier wurden im offenbar zugrunde liegenden Text aus der bisherigen Website des Sozialministeriums nur einige Vokabeln ausgetauscht und um jugendlich anmutende Beifallsbekundungen erweitert. Das scheint angesichts des enormen Finanzaufwands doch etwas wenig elaboriert. Und warum ein augenscheinlich greises Rentier ausgerechnet im Jugendjargon spricht, wird Walter Riester bei der für kommenden Montag angesetzten Aussprache im Bundestag plausibel erklären müssen. Es wird ihm wohl nicht leicht fallen. STEFAN KUZMANY