Vorwärts und alles vergessen

Neue Bilder von der Zukunft braucht die Stadt. Darin sind sich die Experten einig. Nach dem Ende der „Metropole“ und der „Hauptstadt“ fragt sich allerdings, welche Bilder das sind. Und wer beim großen Malwettbewerb um die Zukunft mitmalen darf

von UWE RADA

Metadiskussionen bringen es so mit sich, dass im Grunde keiner weiß, worüber eigentlich diskutiert wird. Das ist beim Thema Zukunftsbilder nicht anders. Umso hilfreicher war es deshalb, dass Meinolf Dierkes vom Wissenschaftszentrum Berlin beim gestrigen Hearing zum Thema „Leitbilder für die Metropolenregion Berlin-Brandenburg“ zunächst ganz praktische Begriffsklärung betrieb. Ein Leitbild, so Dierkes, gehe von der Gegenwart aus und projiziere das Wünschbare und das Machbare in die Zukunft. „Dadurch unterscheidet es sich sowohl von der Planung, die nur das Machbare im Sinn hat, und von der Utopie, der es nur um das Wünschbare geht.“

Eingeladen zum Hearing hatte die Enquetekommission „Zukunftsfähiges Berlin“, der, wenn man so will, parlamentarische Arm des Berliner Agenda-21-Prozesses. Klarheit wollte man sich verschaffen angesichts eines wahren Dschungels an Berlin-Bildern, die vom „Neuen Berlin“ über die „Hauptstadt“ noch immer bis zur „Metropole“ reichen. Allein, bei Meinolf Dierkes wurden die Leitbildsuchenden auch nicht fündig. Dierkes nämlich zog es zunächst vor, die gängigen Bilder genüsslich zu zerlegen, schwadronierte über die gescheiterte „Olympiastadt“, betonte, dass auch die „Hauptstadt“ nicht die Jobs brachte, die in der Industrie wegfielen und kam am Ende zur „Ost-West-Drehscheibe“. „Es gibt ja kaum mehr was zu drehen“, meinte er, „selbst der Großflughafen wird, wenn überhaupt, als Umsteigeflughafen gebraucht.“ Und beim „Ost-West“ seien andere längst weiter.

Das konnte und wollte natürlich Volker Hassemer, als geschäftsführender „Partner für Berlin“ gewissermaßen oberster Berliner Leitbildhauer, nicht auf sich sitzen lassen. „Als Deutsche sind wir gut darin, uns zu erzählen, was wir nicht können“, meinte Hassemer. Dabei komme es weniger auf die Schwächen an als vielmehr darauf, die Berliner Stärken herauszuarbeiten. Hassemer nannte deren gleich fünf. Die „mitteleuropäische Platzierung“ Berlins gehörte ebenso dazu wie die Eigenschaft des „Entscheiderzentrums im größten europäischen Land“, die „Wissenschaftsstadt“, die „Kulturmetropole“ und, nicht zuletzt, die Tatsache, „dass es in Berlin nicht nur spannend ist zu arbeiten, sondern dass es sich hier auch gut leben lässt“.

Klaus Brake, der dritte im Hearings-Bunde und zugleich Mitverfasser der vom Senat in Auftrag gegebenen Berlin-Studie, unterschied schließlich verschiedene „Leitbildelemente“, die es herauszuarbeiten gelte. Dies betreffe nicht nur die Berliner „Ziele“, sondern auch seine „Ressourcen“ und nicht zuletzt den „Weg“, den die Stadt einschlagen müsse.

Namentlich beim Weg gingen die Meinungen der Diskutanten allerdings auseinander. Während Hassemer das Leitbildmalen den politischen und gesellschaftlichen Eliten anvertrauen will, plädierten die anderen für eine Öffnung in die Gesellschaft hinein. In einem freilich waren sich alle einig: Berlin muss mehr auf seine eigenen Stärken, seine „endogenen Potenziale“ setzen.