Unterhaltung auf den Leib geschrieben

Das „Viva“-Sternchen Charlotte Grace Roche ist wegen ihrer „kompetent-eigenwilligen Moderation“ für den Grimme-Preis nominiert. Manchmal hält sie sich selbst für ein „altkluges Miststück“ und „hätte nie gedacht, dass sich die Grimme-Leute für uns interessieren“

von JAN FUHRHOP

Geld verdirbt den Charakter. Das Fernsehen ist ein gutes Beispiel dafür. Man hat sich daran gewöhnt, dass Moderatorinnen und ihre männlichen Kollegen sich am Gehalt, nicht am Inhalt orientieren. Sie wechseln Shows und Sender schneller, als sie „Ich lass mich nicht kaufen“ sagen könnten. Wenn sie denn wollten. Man wartet auf eine mahnende Stimme, die für alte Tugenden wie Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit plädiert.

Dass diese Stimme jetzt ausgerechnet von so einem jungen Ding kommt, das Sachen sagt wie: „Dem Geld hinterherzulaufen ist rückgratlos“ und „Der Sender ist wie ein Familie“, das ist schon merkwürdig. Es lohnt sich, der Frage nachzugehen. Denn wenn man die Karriere von Charlotte Grace Roche verfolgt, erkennt man, dass sie es tatsächlich ernst meint.

Die erst 22-jährige gebürtige Engländerin ist seit 1998 Moderatorin bei Viva 2, der ungezogenen Schwester des knallbunten Mainstream-Musiksenders Viva. Beworben habe sie sich damals, „weil sie den verdammten Job kann.“ Davon waren auch bald ihre Chefs überzeugt und ihre Sendung „Fast Forward“, in der sie lediglich zwischen den Musikclips kurze Anmoderationen machen sollte, wurde ganz auf Charlotte und ihre eigenwilligen Ansagen zugeschnitten. Sie begrüßt ihr „sexy Publikum“ mit: „Willkommen bei ‚Fast Forward‘, der geschmeidigen Show für die Haut über fünfzig“, und wirkt am Ende von wirren Assoziationsketten selbst freudig überrascht, wenn sie doch noch die Kurve kriegt.

Ihre Interviews mit den Größen der Musikszene sind eine Wohltat: kein Anbiedern wie bei Johannes Baptist Kerner, kein peinliches Gekicher wie bei den Viva-Kollegen. Sie unterhält sich mit ihren Gästen – etwa mit dem satanistischen Schockrocker Marylin Manson im Beichtstuhl –, und es kommt ein wirkliches Gespräch zustande, weil sie fragt, was sie auch selbst interessiert.

Seit dem letzten Jahr hat Charlotte Roche ihre zweite Sendung auf Viva 2. „Trendspotting“ ist eine Mode-und-Trend-Show abseits von Max-TV und Amica. Da wird dann schon mal das Nachtleben von Mönchengladbach unter die Lupe genommen.

Die Qualitäten von Roche sind jetzt sogar der Jury des Grimme-Preises aufgefallen – sie nominierte die 22-Jährige für „die Redaktion und kompetent-eigenwillige Moderation der Musiksendung ‚Fast Forward‘“ in der Kategorie „Spezial“. Verliehen wird der Preis am 23. März. Grimme goes Pop. Roche weiß die Nominierung zu schätzen: „Ich hätte nie gedacht, dass die Grimme-Leute sich für uns interessieren.“

Viva 2 ist Charlottes Lebensmittelpunkt, und sie wird nicht müde, dies zu wiederholen: „Ich habe hier einen Hammer-Chef und eine coole Redaktion neben der anderen. Alle mögen sich und schätzen ihre Arbeit hier – das kann eben niemand kaufen.“ Vor einiger Zeit hat sie sich sogar das Logo ihres Senders auf den Arm tätowieren lassen. Das hätte sie wohl abdecken müssen, wenn sie im vergangenen Jahr bei der Abwanderungswelle von Viva 2 zu MTV mitgeschwemmt worden wäre. Damals hatte der Münchener Konkurrenzkanal eine Shoppingtour nach Köln unternommen und den damaligen Viva-2 -Programmdirektor Elmar Giglinger sowie Moderator Markus Kavka abgeworben. Auch Charlotte Roche hatte ein Angebot, das sich nach ihren Angaben „in Megadimensionen bewegte“. Sie blieb standfest. „Kurz habe ich mir gedacht, dass es bescheuert wäre, so viel Geld nicht anzunehmen. Es ist schon schwierig, dabei klar zu denken.“ Sie hat ihren klaren Kopf bewahrt, abgelehnt und fügt hinzu: „Die meisten Moderatoren und Schauspieler machen ja einfach alles. Die Persönlichkeit macht aber gerade das aus, was man absagt und nicht macht.“

Die einzige Alternative zu Viva 2 ist für die mehrfach gepiercte „Queen of german Pop-Television“ (Harald Schmidt) die Schauspielerei. Sie denkt dabei aber nicht an Sauberfilme und Komödien. In einem Interview mit dem Blond Magazin sagte sie einmal: „Ich möchte schön kranke Sachen spielen: Psychopathen, Drogensüchtige oder Tote.“ Das macht sie jetzt wahr: Im März dreht sie mit dem Horror-Regisseur Andreas Schnaas einen Splatter-Film in Italien, in dem alle „total bescheuert sterben“. Ihr macht es Spaß, und darauf kommt es schließlich an: „Wir peilen die großen Verleihe an, es ist also sehr sympathisch größenwahnsinnig. Es könnte daher allerdings auch ein Schuss in den Ofen werden.“

Charlotte Grace Roche wird am 18. März 23 Jahre alt, und das ist noch „arschjung“, findet sie. „Trotzdem wirke ich wegen meiner Moralpredigten manchmal wie ein altkluges Miststück.“