Authentische Bilder

■ Erhellendes über ein deutsches Seminar zum Thema „Palästina im Film“

Es hätte mal ganz anders werden können, am Wochenende in der Evangelischen Akademie, wo die Münsteraner Kulturwissenschaftlerin Irit Neidhardt einen Vortrag hielt über Palästina im Film. Von den Anwesenden war kaum jemand unter 40. Kein Einziger, der ein Palästinensertuch trug oder sich anderweitig als radikal zu erkennen gab.

Und doch scheint ein unausweichlicher Reflex tätig zu werden, sobald man hierzulande über das Thema „Palästina“ diskutiert: Das unterdrückte und vertriebene Volk, das so freundliche Lieder und Tänze kennt, wirkt gegen die territoriumslüsternen Israelis auf jeden symphatisch, und so fiel es auch den 60 TeilnehmerInnen leicht, sich einseitig zu positionieren.

Und das, obwohl die Referentin einen differenzierten Abriss über die Geschichte des palästinensischen Films gab: Aus vorher vereinzelten Grüppchen bildete sich Anfang der 70er Jahre innerhalb der PLO die „Gruppe Palästinensischer Film“, die das Filmwesen „in den Dienst der palästinensischen Revolution“ stellen wollte und ihre Filme so gestaltete, „dass sie die palästinensische Sache in der ganzen Welt vertreten können.“ Damit waren die beiden ausschlaggebenden Momente des palästinensischen Films expliziert: auf formaler Ebene das Einlassen auf die „westliche“ Ausdrucksweise des Films und inhaltlich das „Aufbegehren“. Filmisches und geschichtliches Erzählen näherten sich so einander an, und sie waren tatsächlich eng verknüpft: So fielen alle Filme, die vor 1982 entstanden, dem israelischen Libanon-Angriff zum Opfer; später entstandene Filme bilden fast ausschließlich ein Kino des Exils.

Neidhardt zeigte neuere Dokumentarfilme über Palästinenser-Flüchtlingslager: den Kurzfilm Children of Shatila (1999) von May Masri, und Ali, his friends and their wishes (1999) von Sobhi Al-Zubaidi. Beide Filme drehen sich um palästinensische Flüchtlingskinder: Masris Film spielt in einem Lager im Südlibanon und Al-Zubaidis im Jalalzone-Camp in der Nähe Ramallahs. Al-Zubaidi fordert die Kinder auf, ihre Wünsche zu verwirklichen und baut mit ihnen eine Sitzgelegenheit auf ihrem Spielareal. Unterlegt ist der Film mit Popmusik. Dagegen gehört Masris Film noch zur „ersten Generation“ des palästinensischen Films: Traditionelle orientalische Musik begleitet die Interviews mit den Kindern; Neidhardt macht da-rauf aufmerksam, daß Masri die Kinder „darstellt wie Erwachsene“, die ihren Wünschen für die Zukunft Ausdruck verleihen: „I wish they'd let us return to the land that is ours“.

Auf das Publikum im Seminarraum verfehlten die Bilder ihre Wirkung nicht: Eifrig wurde betont, unter welch unzumutbaren Bedingungen Israel die palästinensischen Flüchtlinge dahinvegetieren lässt. Dass die menschenunwürdigen Zustände dort für die arabischen Länder bestimmte Funktionen für deren Politik gegenüber Israel erfüllen, interessierte nicht.

Auch die folgenden Spielfilme hinterließen einen authentischen Eindruck: Rashid Masharawis Haifa (1996), der inner-palästinensische Probleme thematisiert, und Chronicle of a Disappearance (1996) von Elia Suleiman, der Israel als „amerikanische Kolonie“ einführt. Suleimans Aufnahmen, findet eine Teilnehmerin, sähen ja „genau so aus“, wie sie es von ihrem letzten Aufenthalt an der Westbank erinnert. Einen anderen Publikumsgast erinnert die Situation im Westjordanland „an Südafrika“, wo ja mit der Apartheid irgendwann Schluss war – ob damit in Israel wohl auch bald zu rechnen sei. Die Verschwörung scheint durch: In Deutschland bekäme man ja nur „perfide eingesetzte Medienbilder“ zu sehen, schimpft eine Besucherin, da sollte man „mehr Bilder aus den Flüchtlingslagern zeigen“, auch „in den israelischen Schulen.“

Doch die RegisseurInnen, sagt Referentin Neidhardt, hätten durchaus Vorbehalte gegen die Aufführung ihrer Filme in Israel. „Die wollen sich nur wieder als demokratisch darstellen“, weiß eine Teilnehmerin; eine andere verabschiedet sich mit „hoffen wir das Beste für Palästina.“ Alle nicken – Konsens ist immer ein gutes Gefühl. Katja Strube