Teilhabe ist nicht immer der richtige Weg

Das Projekt „Lebensstil und Naturschutz“ untersucht, welche Bevölkerungsgruppen mit welchen Argumenten zu ökologischem Verhalten bewegt werden können. Behörden und Bürger-Inis sollen von den Ergebnissen profitieren

Der Psychologieprofessor Dr. Ernst-Dieter Lantermann von der Universität Gesamthochschule Kassel leitet eine Arbeitsgruppe des Forschungsprojekts „Lebensstil und Naturschutz“. Im Gespräch erläutert er Aufgabe und Ziele der Untersuchung.

Worum geht es konkret bei diesem Forschungsprojekt und was wollen Sie erreichen?

Lantermann: Es geht darum herauszufinden, mit welchen Argumenten welche Bevölkerungsgruppen für den Naturschutz gewonnen werden können. Wir möchten weg kommen von diesen allgemeinen Kampagnen, die in der Regel ins Leere schießen. Stattdessen wollen wir einen Beitrag dazu leisten, auf bestimmte Bevölkerungsgruppen genau zugeschnittene Überzeugungskampagnen und Aktionen zu entwickeln und umzusetzen.

Sehen Sie konkrete psychologische Komponenten, die es beeinflussen oder gar behindern, dass Umweltschutzideen von den Bürgern wirklich angenommen werden?

Die Umweltpsychologie erforscht seit langem die psychologischen Barrieren, die Leute daran hindern, dass Bewusste und als notwendig Eingesehene auch wirklich in die Tat umzusetzen. Das hat zu tun mit Bequemlichkeit oder damit, dass unterschiedliche Überzeugungen oder Wertvorstellungen miteinander konkurrieren. Etwa ökonomische Interessen gegenüber Umweltschutzinteressen.

Wir machen gerade eine repräsentative Telefonumfrage, bei der wir unter anderem herausfinden wollen, ob es überhaupt sinnvolle Gruppierungsmöglichkeiten innerhalb der Bevölkerung hinsichtlich ihrer Lebensstile, ihrer Naturbilder oder Wertvorstellungen gibt. Wir vermuten, dass unterschiedliche Naturbilder nicht ganz zufällig zustande kommen, sondern stark mit anderen Anschauungen und Lebensgewohnheiten von Menschen zusammen hängen. Der „konservative Sicherheitsfanatiker“ hat ein bestimmtes Wohnzimmer, eine bestimmte Vorliebe für Kleidung und offensichtlich auch ein bestimmtes Naturbild. Das wiederum führt ihn dazu, auf bestimmte Argumente sensibler einzugehen als etwa der „risikofreudige Hedonist“.

Wie können Politik und Verbände ihre Botschaften besser kommunizieren?

Das eigentliche Ziel dieses Projekts liegt ja darin, dass wir eine Art Machbarkeitsstudie für Multiplikatoren, also Verbände und Behörden, hinkriegen. Wir wollen herausfinden: Wo genau machen denn Behörden intern Fehler und wo machen sie ihre Fehler in der Außendarstellung? Das gilt aber nicht nur für Behörden, sondern auch für Bürgerinitiativen. Die Hoffnung ist, dass Menschen aus solchen Projekten lernen, wie ihre Vorstellungen über Natur und Umweltschutz gezielter an bestimmte Bevölkerungsgruppen vermittelt werden können. Einschließlich der richtigen Worte, Medien und Aktionen.

Welche Rolle spielt bei Ihrer Untersuchung der Gesichtspunkt, Bürger stärker zu beteiligen?

In der ersten Phase, in der wir uns befinden, ist das partizipatorische Moment nicht ausgeprägt. Aber eines ist klar: Für bestimmte Bevölkerungsgruppen werden partizipatorische Methoden der einzige Weg sein, das Umweltbewusstsein und die Freude am Naturschutz zu erhöhen. Für andere Gruppen gilt dies sicherlich nicht. Man kann nicht sagen, dass grundsätzlich Strategien der Teilhabe und Einbeziehung immer der richtige Weg sind. Das wäre zu ideologisch.

Interview: VOLKER ENGEL