rechtsextremismus
: Kein autoritärer Gedenktag!

Am Holocaust-Gedenktag müssen die Rechten künftig zu Hause bleiben. Nachdem das Bundesverfassungsgericht jetzt Demonstrationsverbote an diesem Tag ausdrücklich akzeptiert hat, wird es in Zukunft wohl keine Kommune mehr wagen, am 27. Januar eine Demonstration rechter Kameradschaften oder der NPD zuzulassen.

Kommentarvon CHRISTIAN RATH

Es genügt jetzt, solche Verbote auf die öffentliche Ordnung zu stützen, also auf das, was die Mehrheit für sittlich richtig und angemessen hält. Dabei dienen die Grundrechte doch gerade dem Schutz von Minderheiten – ob man sie politisch akzeptiert oder nicht. Stattdessen heißt es nun: Die Rechten können ja an anderen Tagen demonstrieren – eine Verschiebung sei kein Verbot, nur eine Auflage. Von Karlsruhe hätte man eigentlich einen strengeren Maßstab erwartet. Immerhin wurden dort in den letzten Monaten einige rechte Demonstrationen gegen den autoritären Moraldiskurs („Kein Fußbreit . . .“) durchgesetzt.

Auch der konkrete Anlass, der Holocaust-Gedenktag als solcher, hätte der Karlsruher Wertung nicht bedurft. Der Tag erinnert an die Befreiung der KZ-Opfer von Auschwitz, steht für die Überwindung der Diktatur. Ein Tag mithin, der die Notwendigkeit demokratischer und zivilgesellschaftlicher Werte verdeutlicht. Ausgerechnet an diesem Tag soll die Ausübung von Grundrechten besonders leicht verboten werden können. Und ausgerechnet an diesem Tag soll eine rechte Demonstration „für Meinungsfreiheit“ nur deshalb untersagt sein, weil diese Kundgebung eine „Provokation“ darstellen könnte.

In der Verbotsbegründung ging es auch nicht um die Gefahr von Krawallen. Es störte allein, dass bestimmte Menschen öffentlich sichtbar werden. Das wird wohl ein anschauliches Beispiel für autoritäres und ausgrenzendes Denken, das wir künftig an jedem 27. Januar erleben werden.

Heikel wird es aber, wenn die Rechten beginnen, gegen den Holocaust-Gedenktag selbst zu demonstrieren. Denn dann könnte eine Demo nicht so leicht verschoben werden. Schließlich käme es den Anmeldern hier gerade auf das symbolträchtige Datum an. Karlsruhe könnte seinen gestrigen Missgriff in einem neuen Verfahren also wieder gutmachen. Nur wird die Empörung umso größer sein, wenn plötzlich weitaus weniger harmlose rechte Kundgebungen am Holocaust-Gedenktag dann doch stattfinden können.

CHRISTIAN RATH

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