Quo vadis, Intendant?

Zwölf Jahre Dieter Weirich waren eine konfliktreiche Zeit für die Deutsche Welle. Innerlich wie nach außen. Er stand für ungewolltes Sparen und Politklüngelei. Doch insgesamt fällt die Bilanz für den CDU-Mann gar nicht so schlecht aus

Zwölf Jahre lang war er Chef der Deutschen Welle. Und während der Rundfunkrat ihm bescheinigt, den Auslandsender „journalistisch, wirtschaftlich und technisch enorm nach vorn gebracht“ zu haben, enthielten sich Personalrat und Redakteursausschuss viel sagend eines Kommentars zu Dieter Weirich und bezeichneten die ungleiche Beziehung zum jetzt vorzeitig scheidenden Intendanten lediglich als „konfliktreich“.

Kein Wunder: Der ehemalige Redakteur des Hanauer Anzeigers, medienpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion und Referent von Alfred Dregger, hatte schon bei seiner ersten Wahl 1989 angekündigt, „in jeder Beziehung ein Wettbewerbsintendant“ sein zu wollen. Seine Parole „Leistung statt Sitzfleisch“ haben ihm einige Redakteure bis heute nicht verziehen. Auf drei Säulen wollte Weirich das stets krisengeschüttelte und finanzgebeutelte Unternehmen Deutsche Welle stellen: Radio, Fernsehen und Internet.

Steckenpferd TV

Wobei er nie einen Hehl daraus machte, dass das Auslandsfernsehen sein Steckenpferd ist: „Wenn Deutschland in der Welt mehr Gewicht bekommen soll, braucht es ein gutes Auslandsfernsehen“, so sein mantrahaft wiederholtes Credo. Im April 1992 ging DW-tv auf Sendung. Die Bewertung des Programms, das heute nach eigenen Angaben weltweit zwölf Millionen Zuschauer erreicht, sind geteilt bis vernichtend.

Doch so etwas focht Weirich nicht an: Deutschland brauche ein „Fenster zur Welt“, in der TV „Informationsmedium Nummer eins“ sei – basta. Darüber hinaus wollte Weirich zusammen mit ARD und ZDF ein Bezahlfernsehen für das Ausland einführen, für das die beiden anderen öffentlich-rechtlichen die Unterhaltungsware liefern sollen. Dies verkündete der Bundessender-Intendant auch Ende Januar noch unbekümmert, ohne sich mit seinen Landesanstaltskollegen abgesprochen zu haben. Und ungeachtet der Tatsachen, dass dies ein weiteres Loch in den um 100 Millionen abgespeckten Finanzetat des klammen Bundessenders reißen würde und ARD und ZDF ja ohnehin schon über Satellit auf vielen Kontinenten zu empfangen sind. Weirich: „Man muss das einfach mal machen, um den Anschluss in der Welt zu halten.“ So isser halt. Oder war er, der Weirich. Und das wahrscheinlich zum Wohl des Senders, lässt man die vergangenen zwölf Jahre Revue passieren.

Die Zukunft bleibt dennoch unsicher, auch wenn Weirich betont: „Die Deutsche Welle ist nötig, und sie ist nicht kaputtzukriegen, auch wenn das von einigen versucht wird.“ Damit meinte der Unions-Mann seit 1998 vor allem den ebenfalls ehemaligen Staatsminister für Kultur und Medien, Michael Naumann. Denn der hatte 1999 den Etat der Welle bis zum Jahr 2003 um 90 Millionen gekürzt – und seine Behörde einen klaren Konfrontationskurs gegen Weirich fahren lassen. 700 Stellen mussten gestrichen, acht Fremdsprachenprogramme eingestellt werden. Schon 1993, kurz nachdem die Welle über 600 Mitarbeiter des Deutschlandsfunks, von Rias und dem einstigen DDR-Sender Radio Berlin International integrieren musste, wurden 300 Stellen abgebaut. Freunde unter den Redakteuren machte sich ein Intendant damit wohl kaum.

Viele Mitarbeiter werfen ihm außerdem vor, die eigentliche Aufgabe des Senders, ein „Krisenradio“ zu sein, zugunsten des Fernsehens vernachlässigt zu haben. Tatsächlich genießt die Deutsche Welle dann die größte Akzeptanz, wenn sie sich, wie bei den vier Balkankriegen, als „Stimme der Freiheit“ zeigt. Immerhin: Trotz der Finanznöte baute die Deutsche Welle in dieser Zeit ein eigenes bosnisches Programm und das albanische wie das serbische Programm aus.

„Kakadu-Staaten“

Zudem hatte Weirich gegen Trägheit und einigen Muff in den Redaktionen durchgegriffen, aber auch ihm parteilich nahe stehende Mitarbeiter wie die inzwischen zur Welt abgewanderte Chefredakteurin Fremdsprachen, Hildegard Stausberg, installiert, die sich mit der Diffamierung lateinamerikanischer Länder als „Kakadu-Staaten“ hervortat. Die CDU-Nähe der Welle ist bis heute unübersehbar.

Wer nun an Weirichs Stelle rückt, ist noch offen. Im Sommer will der Rundfunkrat entscheiden. Favorit der Belegschaft ist derzeit der parteilose Hamburger Politikwissenschaftler Hans J. Kleinsteuber. Im Gespräch sind ansonsten vor allem SPD-Proporzkandidaten (siehe taz von gestern). Kleinsteuber hat sich bislang zwar eher als Theoretiker hervorgetan, für die Welle sei dies jedoch kein Problem, sagt ein Personalratsvertreter: „Wir brauchen jemanden mit programmphilosophischer Orientierung und klaren Vorgaben, er muss kein Journalist sein.“ Andere Redaktionssprecher hatten sich vor wenigen Wochen dagegen ausdrücklich einen Kandidaten mit „journalistischem Profil“ gewünscht.

Immerhin ist Kleinsteuber Autor eines Buches über Reisejournalismus – keine schlechte Voraussetzung für den Chef eines Auslandssenders.

FRANK GERSTENBERG