milosevic & die macht
: Führer mit Programm oder Opportunist?

In Jugoslawien ist Slavoljub Djukić eine Institution. Der Belgrader Journalist, der 1980 kurz Chefredakteur der damals angesehenen Tageszeitung Politika war, hat sich in den Neunzigerjahren mit vier Biografien über Slobodan Milošević Prestige und großen Respekt erworben. Unverblümt nannte Djukić Namen, Verbindungen und Abläufe aus dem Kreis der Macht. Das war nicht ungefährlich. Nach dem Erscheinen des ersten Milošević-Buches 1992 wurde auf Djukić, seinen Verleger und seinen Lektor ein Mordanschlag verübt.

Der Nidda Verlag, der für die serbische Gemeinde in der Bundesrepublik auch die auflagenstarke Tageszeitung Vesti herausgibt, hat nun die vierte, neueste Biografie von Djukić auf deutsch veröffentlicht. Der Autor erzählt hier noch einmal die Geschichte vom steten Aufstieg Milošević’ auf der Kaderleiter – von der Machtergreifung auf dem 8. Plenum im September 1987 bis zum Herbst 1999, ein Jahr vor seinem Fall. Trotz seines Umfangs ist „Milošević und die Macht“ als einführende oder klärende Lektüre wenig geeignet. Zu viele Namen purzeln durch den Text, zu oft stockt der Erzählfluss.

Dies ist nicht nur der deutschen Übersetzung geschuldet, sondern vor allem dem boulevardjournalistischen Stil Djukić’. Nur selten geht der Text über seine Quellen – das sind fast immer die Gespräche mit einstigen oder aktuellen Vertrauten aus Milošević’ Machtapparat – hinaus. Ein weiterer Nachteil, für den Djukić allerdings nichts kann: Viele der einst Aufsehen erregenden Informationen – wie die rücksichtslosen Ausbeutung der Wirtschaft durch die einstige kommunistische Elite und ihre Verschmelzung mit der serbischen Mafia – sind spätestens in Zusammenhang mit dem Kosovokrieg von westlichen Autoren kolportiert worden. Die Übersetzung kommt somit zumindest für die hiesige Diskussion zu spät. Ein größerer, deutender Essay, mit der analytischen Schärfe des Schlusskapitels, wäre für eine deutsche Veröffentlichung geeigneter gewesen.

Dennoch veranschaulicht Djukić’ Buch noch einmal die Dimension des Phänomens Milošević. Der Autor selbst schwankt an vielen Stellen in seinen Einschätzungen von Person und Wirken des serbischen, seit 1997 jugoslawischen Präsidenten. Ob Milošević als plebiszitärer Führer nur eine Variante des serbischen nationalen Programms darstellt oder ob er als prinzipienloser Opportunist die serbische Nationalbewegung der Achtziger nur genial instrumentalisierte, mag Djukić nicht entscheiden. Damit steht er nicht allein: Fast alle serbischen Journalisten und Intellektuellen sind sich darüber bis heute im Unklaren.

Ein paar Dinge stehen für Djukić aber fest: Nach innen wie nach außen sei mit Milošević die gewaltsame Option in der serbischen Politik verbunden gewesen. Krieg stellte für den Expräsidenten stets eine einsetzbare Ressource zur Durchsetzung seiner Ziele dar. Mit der Machtergreifung der Demokratischen Opposition Serbiens (DOS) nach dem 5. Oktober vergangenen Jahres habe diese Option eine Niederlage erlebt. Ob dem tatsächlich so ist, wird erst die Belgrader Reaktion auf die zu erwartende Unabhängigkeitserklärung Montenegros zeigen.

HEIKO HÄNSEL

Slavoljub Djukić: „Milošević und die Macht“. Nidda Verlag, Bad Vilbel 2000, 428 Seiten, 39,50 DM