Auch Bischof gab seinen Segen

Landgericht Koblenz verurteilt den früheren Caritas-Manager Doerfert zu 7 Jahren und 3 Monaten Haft. Die Caritas sei für ihn ein „Selbstbedienungsladen“ gewesen

KOBLENZ taz ■ Das Landgericht in Koblenz verurteilte gestern den früheren Topmanager der Caritas, Hans-Joachim Doerfert, zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und drei Monaten. Doerfert ist nach Überzeugung des Gerichts der Untreue in 58 Fällen schuldig.

Die Caritas, so der Vorsitzende Richter Hans-Georg Göttgen, sei für Doerfert ein „Selbstbedienungsladen“ gewesen. Und tatsächlich griff dieser über Jahre hinweg dort fleißig in die Kassen: Um die Caritas nach dem Fall von Doerfert vor dem Konkurs zu retten, so Göttgen, musste das Bistum Trier am Ende rund 100 Millionen Mark aufwenden. Allerdings müssten sich auch die kirchlichen Kontrollgremien, der Caritas-Aufsichtsrat, das bischöfliche Ordinariat und der ehemalige Bischof Spital, den Vorwurf gefallen lassen, „versagt“ zu haben.

Mit dem Urteil gegen Doerfert folgte das Gericht im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte sieben Jahre und neun Monate Haft für den Hauptangeklagten gefordert. Mit Doerfert standen im Oktober Ex-Vorstandsmitglied Bernhard Veith und der frühere Geschäftsführer der Ärztlichen Abrechnungsstelle Trier, Ulrich Ziegelmayer, vor Gericht. Ziegelmayer saß auch im Vorstand der Klinik Rose AG – einer Firma, mit der Doerfert „Luxuskrankenhäuser“ für Reiche bauen wollte.

Es sollte endlich das ganz große Geld verdient werden, so Göttgen. Die Caritas mit ihren Krankenhäusern und Altenheimen war laut Satzung, gegen die Doerfert permanent verstieß, „nur selbstlos tätig“. Auch dafür gab der Bischof seinen Segen.

Auch die Ärztliche Abrechnungsstelle war Teil des von Doerfert aufgebauten Imperiums aus real existierenden Unternehmen und Scheinfirmen. Im „System Doerfert“ spielte sie eine Schlüsselrolle. Exgeschäftsführer Ziegelmayer wurde von der Kammer denn auch zu einer relativ hohen Haftstrafe verurteilt: vier Jahre und drei Monate. Der frühere Caritas-Vorstand Veith kam mit zwei Jahren und acht Monaten glimpflicher davon.

Doerfert habe die Unternehmen der Kirche als sein Eigentum betrachtet, konstatierte Richter Göttgen. In der Tat. Darlehen bis zu 500.000 Mark genehmigte er sich über Jahre hinweg aus der Kasse der Caritas. Nur in einem Fall zahlte er sie zurück – mit geliehenem Geld von der Ärztlichen Abrechnungsstelle. Sich selbst setzte Doerfert mit 750.000 Mark per annum auf die Gehaltsliste. Das bischöfliche Ordinariat schluckte auch das. Nur in den Sitzungsprotokollen tauchte die Summe nicht auf, sie wurde lange geheim gehalten.

Mit dem Geld, das ihm nicht gehörte, finanzierte Doerfert den Bau eines Luxushotels im Saarland und eines Multiplexkinos in Trier – ganz sicher keine karitativen Einrichtungen.

Daneben spendete der Finanzjongleur von der Mosel reichlich, und besonders gerne an Fußballvereine. Mehr als 1,5 Millionen Mark flossen über fünf Jahre in die Vereinskasse von Eintracht Trier. Vereinspräsident war Doerfert selbst. Aber auch der 1. FC Saarbrücken bekam mehr als 600.000 Mark unbekannter Herkunft von Doerfert geschenkt. „Politische Landschaftspflege“ sei das gewesen, so das Gericht. Die Vereinspräsidenten hießen Reinhard Klimmt und Klaus Meiser. Der eine war SPD-Fraktionschef im Landtag, der andere im CDU-Landesvorstand. Beide stolperten Ende vergangenen Jahres über die Affäre Doerfert, Klimmt als Bundesverkehrsminister und Meiser als Innenminister an der Saar. Ein Verfahren konnten sie durch Zahlung einer Geldbuße abwenden.

Mit dem Namen Caritas auf der Visitenkarte streckte Doerfert seine Fühler auch nach Hessen, Bayern, Thüringen und in die Schweiz aus. Für illegale Aktivitäten dort und anderswo muss er sich bald vor dem Münchner Landgericht verantworten.

Verzichtet die Verteidigung auf Revision, wird Doerfert wohl umgehend in eine bayerische Haftanstalt verlegt. Nach dem Prozess in München will ihn das Landgericht in Koblenz sicher wieder zurückhaben. Die Staatsanwaltschaft hat nämlich eine neue Anklageschrift gegen Doerfert fertiggestellt: wegen Betruges. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT