Mit Gewalt zum Islam konvertiert

Auf den indonesischen Molukken ist kein Ende der religiös verbrämten Gewalt in Sicht. Berichte über Zwangsbekehrungen von Christen durch Muslime zeigen ein neues Ausmaß der Feindschaft, die selbst ernannte „heilige Krieger“ weiter anheizen

von JUTTA LIETSCH

Über die innenpolitische Krise in Jakarta und den Konflikten um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Westpapua und Aceh ist der Krieg auf den Molukken zwischen Christen und Muslimen in den Hintergrund geraten. Seit zwei Jahren bringen sich die Menschen auf den Gewürzinseln, die mehr als 2.000 Kilometer von der indonesischen Hauptstadt Jakarta entfernt liegen, im Namen Allahs und Gottes gegenseitig um. Über 5.000 Menschen sind bereits ums Leben gekommen, hunderttausende geflohen. Ein Ende der Rachefeldzüge ist nicht in Sicht. Vielmehr erhält der Konflikt eine neue Wendung: Berichte, nach denen Muslime Christen zwingen, ihren Glauben zu wechseln, sind offenkundig wahr.

Als kürzlich erstmals Berichte aus dem abgelegenen Dorf Kesui kamen, wonach bereits vergangenes Jahr über 600 Christen gewaltsam zum Islam konvertiert wurden, schickte Gouverneur Saleh Latuconsina eine Untersuchungskommission in das Dorf auf der Insel Seram. Das Ergebnis gab er vergangene Woche bekannt: „97 Prozent der Bevölkerung haben ihre Religion zum Islam gewechselt.“

Der Grund, so formulierte er zurückhaltend, sei der „Mangel an Sicherheit für ihre Person, falls sie nicht-muslimisch blieben“. Die restlichen drei Prozent „wurden gezwungen, zum Islam zu konvertieren, weil ihr Leben auf dem Spiel stand“. Im Klartext: Hätten sie auf ihrem christlichen Glauben bestanden, wären sie umgebracht worden. Die Untersuchungskommission evakuierte schließlich mit Hilfe schwer bewaffneter Soldaten 648 Bewohner Kesuis per Schiff.

Vertreter der Muslime von Kesui weisen die Vorwürfe zurück. Die Christen seien freiwillig konvertiert, erklären sie. Nach Informationen des katholischen Krisenzentrums von Ambon sollen die Dorfbewohner, Frauen wie Männer, jedoch auch zwangsweise beschnitten worden sein. Dies ist der erste Fall massenhafter Zwangsbekehrungen, der auf Ambon bekannt wurde.

Von ihrer Regierung im fernen Jakarta können sich die Bewohner der Molukken wenig Hilfe erhoffen. Friedensappelle der Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri, die mehrfach Ambon besuchte, blieben wirkungslos. Die Politik sei machtlos, räumte der für die Reform der Provinzverwaltungen zuständige Minister Ryaas Rasyid ein: „Wir haben immer noch nicht den richtigen Weg gefunden, die Probleme der Molukken zu lösen.“

Lokale Notable, christliche und muslimische Geistliche und Frauengruppen trafen sich inzwischen in der javanischen Stadt Yogyakarta zu Friedensgesprächen, um einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt zu finden. Doch das gegenseitige Misstrauen der Menschen, die seit Generationen friedlich zusammenlebt hatten, ist inzwischen groß.

Ein Teil des Problems sind die Sicherheitskräfte. Obwohl die Regierung mit Brigadegeneral I Made Yasa einen als neutral geltenden Hindu als Militärchef in die Region schickte, beteiligen sich immer wieder Polizisten und Soldaten auf christlicher und muslimischer Seite an der Gewalt. Im Januar zum Beispiel beschossen sich Einheiten von Militär und Polizei tagelang in Ambon. Die Hauptstadt ist wie einst Beirut in feindliche Zonen geteilt, von denen Scharfschützen ihre Opfer auf der anderen Seite ins Visier nehmen.

Der Konflikt verschärfte sich im vergangenen Frühjahr, als eine Gruppe muslimischer Fundamentalisten von der Insel Java auf die Molukken aufbrach, um ihre Glaubensbrüder „zu verteidigen“, wie Jaffar Umar Thalib, Chef der Laskar Dschihad („Legionäre des heiligen Krieges“) sagt. Obwohl Präsident Abdurrahman Wahid die Behörden anwies, die „heiligen Krieger“ zu stoppen, landeten seitdem tausende in der Region. Provinzpolitiker beschuldigen sie grausamer Überfälle. Zeitungen enthüllten, die paramilitärische Gruppe sei von Armeeeinheiten ausgebildet worden. Doch niemand scheint Thalib und seine Leute an ihrem Treiben hindern zu können: „Wir werden uns nicht zurückziehen, bevor sich die Muslime hier wirklich sicher fühlen“, droht er.